Im Riesen aus Rüsselsheim bei der
11. Paul-Pietsch-Classic
Von Paul-Janosch Ersing und Bernd-Wilfried Kießler
Das waren noch Zeiten, als Opel kräftig in der Oberklasse mitmischte, Audi sich gerade vom DKW-Zweitaktzeitalter verabschiedete und sich BMW von einer drohenden Pleite zu erholen begann. Wir reden von der zweiten Hälfte der 1960er Jahre – bei Opel im Zeichen der drei Großbuchstaben KAD (Kapitän, Admiral Diplomat), wozu man sich in Rüsselsheim technischer Zutaten und äußerer Formen der amerikanischen Muttergesellschaft General Motors bediente, genauer: deren Marke Chevrolet.
Die Zeit barocker Straßenkreuzer mit Flossen war vorbei, die Autos waren zwar groß, aber glattflächig und eher sachlich gezeichnet. Mit einem Admiral des Baujahres 1965 nahmen wir an der 11. Paul-Pietsch-Classic teil, einer zweitägigen Veranstaltung mit Start und Ziel in Offenburg, mit der seine Kinder den Rennfahrer und Verlagsgründer ehren. Sie nutzen dazu einen Veritas-Rennwagen, mit dem ihr Vater nach dem 2. Weltkrieg unterwegs war. Die ganz großen Erfolge blieben ihm wie vielen seiner Generation durch den Krieg verwehrt. So müsste sein Lebensweg und die nach ihm benannte Rallye auch eine Mahnung zum Frieden sein.
Unser Fahrzeug mit der Startnummer 26 war 4,95 Meter lang und 1,90 Meter breit. Den Antrieb besorgte unüberhörbar ein V8-Motor mit 4,6 Litern Hubraum, eine Konstruktion von jenseits des Atlantiks, die dort liebevoll als „small bloc“ (kleiner Motorblock) bezeichnet wurde – es gab noch großvolumigere Triebwerke. 190 PS und 198 km/h Spitze reißen heute niemanden mehr vom Sitz – taugten aber damals dazu, der überwiegenden Mehrheit den grummelnden Auspuff zu zeigen.
Zwar kommt es bei klassischen Rallyes nicht auf Höchstgeschwindigkeit an. Auf den Schwarzwaldstraßen rund um Offenburg lässt sich aber sehr wohl das allgemeine Fahrverhalten ausprobieren. Der Hecktriebler erwies sich als wendig, komfortabel, aber keineswegs schwammig, ein Ruf, der damaligen US-Autos vorauseilte. In Rüsselsheim hatten sie offenbar kräftig an der Fahrwerksabstimmung gearbeitet.
Die Kräfte wurden von einer Zweigang-Automatik übertragen – überwiegend war die zweite Stufe tätig, angesichts des drehmomentstarken großen Hubraums, der nach einer damaligen Weisheit nur durch mehr Hubraum zu ersetzen ist. Damit die Bremsen bergab nicht über die Maßen beansprucht wurden, ging’s manchmal von Hand in der ersten Fahrstufe. Die unausweichliche Frage nach dem Verbrauch: Am Ende der beiden Rallye-Tage waren 17,5 Liter auf 100 Kilometer durchgelaufen – für heutige Zeiten astronomisch. Aber: Damals lag der Literpreis für Benzin bei 54 Pfennig, also etwa 27 Cent, und an Umweltschädigung dachte man noch nicht einmal.
Werfen wir noch einen Blick in den Innenraum, der vor allem von rotem Leder beherrscht wurde. Auch in der Oberklasse wurden einst vordere Dreiecksfenster eingebaut – unschlagbar in zugfreier Belüftung. Aber: Geöffnet werden sie mit einer kleinen Drehkurbel, ebenso das Schiebedach. Beides galt im vorelektrischen Zeitalter als Luxus.
Man fährt da in einem rollendes Museumsstück durch die Gegend, das überwiegend Lächeln und erhobene Daumen am Straßenrand hervorruft. Die Platzierung am Ende ist Nebensache – wir verraten sie trotzdem: Es war eine Punktlandung auf unserer Startnummer.