Munter, bunt und abwechslungsreich

Im diesjährigen Stück des Naturtheaters Hayingen „Friede, Freude, Pfannakuacha!“ nehmen die Frauen das Heft in die Hand.

Von Bernd-Wilfried Kießler

Das Städtchen Hayingen oberhalb des Lautertals auf der Schwäbischen Alb ist vor allem bekannt durch sein Naturtheater, in dem sommers seit 1949 heitere und gleichzeitig nachdenkliche Stücke aufgeführt werden. Die Bühne wurde vor einigen Jahren sogar ins UNECO-Weltkulturerbe aufgenommen. Sehr überschaubar ist das Städtle und kann leicht zu Fuß besichtigt werden, bietet als Sehenswürdigkeiten einige historische Häuser sowie ein altes Stadttor mit einem Stück restaurierter Stadtmauer. Von den einstmals sechs namhaften gastronomischen Gehöften für Unterkunft und Beköstigung vor der Jahrtausendwende sind anderthalb übriggeblieben – vor allem das Gasthaus Kreuz in der verkehrsberuhigten Ortsmitte, das traditionelle schwäbische Küche samt Terrasse mit Blick auf die Kirche bietet.

So ein Theater! Im Juli und August ist Theatersaison in Hayingen. Edith Ehrhardt, Autorin und Regisseurin der Komödie mit Musik „Friede, Freude, Pfannakuacha!“, ist in diesem Jahr mit ihrer Inszenierung im dritten Anlauf endgültig in Hayingen angekommen, nutzt sowohl den Spielraum der weiträumigen Freilichtbühne als auch die Möglichkeiten ihrer Generationen übergreifenden munteren Schar, macht dazu überraschende Zeitsprünge vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Sie spielt mit den Möglichkeiten eines derben Bauernschwanks – zwei Nachbardörfer sind wegen einer Kleinigkeit seit langer Zeit verfeindet und bekriegen sich – und erfindet allerlei Handlungsstränge, in denen sich das Publikum wiedererkennt und über die Distanz von der Tribüne zur Bühne schadenfroh über die da oben und damit auch über sich selber und die eigenen Unvollkommenheiten lachen kann.

Die Bühne bebt. Die Aktualität lugt nicht nur durch die Parodie einer nur leicht verfremdeten Gestalt der gegenwärtigen Weltpolitik ins Biedermeier, in dem die Haupthandlung spielt. Wir vermeiden sonst, einzelne Akteure hervorzuheben, um den Auftritt der übrigen nicht zu schmälern. Denn wie im richtigen Leben gilt auch im Theater die Teamarbeit, und auf jeder Amateurbühne ist im Prinzip die Mitwirkung jeder und jedes Einzelnen lobenswert. Dennoch wollen wir Ingrid Zeller hervorheben, die wie in den vergangenen Jahren mit vollem Temperament die Bühne zum Beben bringt – und das nicht einmal auf Schwäbisch, sondern in einer Art Denglisch, besser gesagt: Damerikanisch. Man muss den rauen Älbler-Dialekt nicht unbedingt beherrschen, um dem turbulenten Geschehen zu folgen.

Liebe und Hexerei. Da werden feine Beziehungsfäden gesponnen, die auf verschlungenen Umwegen alle zum Ziel führen, das da Liebe heißt – und hier wird nicht nur die romantische Liebe dargestellt, sondern auch ihre praktische Form zur Sprache gebracht. Selbstverständlich wird die traditionelle Droge Alkohol getrunken, aber es werden zudem einige andere Rauschmittel eingesetzt und mit ihnen verwunderliche Wirkungen erzielt, die an Hexerei grenzen. Natürlich herrscht auch das eine oder andere Klischee – so werden die Mehrheit der Männer als gewalttätige Grobiane dargestellt, die ihre Fehde erst einstellen, nachdem sich die Frauen listig zusammengetan haben, um dem ersten Wort des Stücktitels zum Sieg zu verhelfen. Andere machen dunkle Geschäfte mit Waffen und Drogen. Während die älteren Dorfbewohner auf den Waffenhandel reinfallen, bauen die Jungen ihr Gras lieber selbst an und überwinden so gemeinsam den Kampf um die umstrittene Wiese.  

Pferde und Hühner. Die Autorin und Regisseurin setzt mitunter Gegenakzente, etwa in Form eines älteren schüchternen Liebhabers, gibt aber auch hier letztlich der Angebeteten das Heft des Handelns in die Hand. Die Musik von Ingrid Klomfass untermalt das Geschehen mit viel Gefühl, nicht nur, wenn eine singende Säge direkt aufs Gemüt angesetzt wird. Dass in Hayingen Pferde über die Bühne traben, gehört seit Urzeiten dazu. Diesmal spielen auch andere Tiere eine wesentliche Rolle: Ein Hühnerchor trippelt auf die Szene, das Federvieh kommentiert nicht nur den Unverstand der Menschen, sondern legt sogar Eier mit wundersamer Wirkung. Ein Stück voller Wunder – ein wunderbares Stück, Volkstheater wie es sein kann und sein soll.

Informationen. Die diesjährige Spielzeit geht noch bis zum 31. August, jeweils samstags 20 Uhr und sonntags 14.30 Uhr. Ein kostenloser Pendeldienst bringt Gehbehinderte vom Parkplatz hinunter in die Freilichtbühne im Tiefenbachtal. Theaterkarten können online unter naturtheater@hayingen.de und telefonisch unter 07386/286 bestellt werden. Mehr über das Gasthaus Kreuz unter www.kreuz-hayingen.de.


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