


Flaggschiff in Sachen Preis und Leistung
Polestar möchte mit seinen komplett batterieelektrischen Fahrzeugen Maßstäbe setzen – und legt prompt beim kürzlich vorgestellten Polestar 5 noch eine kräftige Schippe drauf. Bei der statischen Präsentation des Viertürer-Coupés mit großer Heckklappe in der Performance-Version wurde kein Hehl aus seiner Leistungsorientierung gemacht: zu einem Preis ab 142.000 Euro.
Von Gundel Jacobi
Sprungbereite Leistungsbereitschaft. Es ist ein Abend der Superlative, und Polestar kostet seine höchstklassige Limousine mit abgeschrägtem Dach mit der numerischen Bezeichnung 5 reichlich aus. Der Fünfer ist zu diesem Zeitpunkt zwar nur im Stand zu erleben, aber der 5,08 Meter lange und 1,42 Meter hohe Grand Turismo strahlt schon äußerlich geduckt seine Bereitschaft zu Hochleistungen aus. Verblüffend ist die Ähnlichkeit zum Konzeptfahrzeug Precept, das vor fünf Jahren als zukunftsorientierte Karosserie für Design, Technologie und Nachhaltigkeit vorgestellt wurde. Nochmal: Es handelt sich um die verwirklichte Idee einer tragfähigen Spitzentechnologie im Großformat – das Gegenstück zu einem zurückhaltenden Verbrauchswunder-Kleinwagens am anderen Ende der aktuellen Elektromobilität.
So gesehen kann der Polestar 5 mit einigen Merkmalen auftrumpfen, bei denen die Designer nicht allzu tief in die Überraschungskiste greifen mussten: ein skandinavisch angehauchtes, weitgehend glattgebügeltes Karosseriekleid in Coupé-Form, geometrisch gegenläufige T-Bugleuchten in Polestar-Manier, wuchtige 22-Zoll-Reifen, das mithin übliche Panoramaglasdach sowie jenes bereits vom Polestar 4 bekannte fehlende Heckfenster; die dortige Klappe ist total verblecht. Allenfalls am konsequent kastigen Heckleuchtenband bleibt das Auge zunächst länger hängen.
Perfekt gefedertes Brett auf der Straße. Später berichtet Technikvorstand Lutz Stiegler von Technologieträger-Spezialitäten wie der „neuen heißverklebten Aluminiumplattform und einer Torsionssteifigkeit, die auch bei Sportwagen ihresgleichen sucht. Zudem besteht der Polestar 5 aus 83 Prozent Aluminium, das in Hütten mit erneuerbarer Energie hergestellt wird; 13 Prozent kommen von recyceltem Alu.“ Auch beim Stahlfahrwerk mit adaptiven Dämpfern gerät er ins Schwärmen: „Sie erfassen die Straße 1000 Mal pro Sekunde und sind in der Lage, innerhalb von drei Millisekunden zu reagieren. Das Ergebnis führt zu hervorragender Karosseriebewegungskontrolle bei gleichzeitigem höchstem Komfort in allen Tempobereichen.“ Seinem Bekunden nach liegt der Polestar 5 perfekt gefedert wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße.
Geht ab wie Schmitts Katze. Es wird Zeit für ein paar Antriebsdaten des Fahrzeugs, das in der gleichen Liga wie ein Porsche Taycan spielt.Die vorgestellte GT-Limousine in Performance-Ausführung ist mit überbordender Kraft von 884 PS/650 kW und einem atemberaubenden Drehmoment von 1015 Newtonmeter ausgestattet, die den leer rund 2,5 Tonnen wiegenden Wagen in 3,2 Sekunden von 0 auf 100 zu katapultieren in der Lage ist – leise surrend, was sich bei einem Elektro-Allradler von selbst versteht. Bei Tempo 250 ist allerdings abgeregelter Schluss. Für solche Oberklasse-Karossen spielt der Verbrauch im Prinzip eine weithin untergeordnete Rolle, zumindest nimmt die Kundschaft einen etwas gehobeneren Durst ergeben hin. Umso interessanter, dass der WLTP-Verbrauchswert mit 20,9 kWh nicht ausufernd zur gebotenen Leistung angegeben ist. Mit anderen Worten: Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse schlürfen auch nicht viel weniger Strom aus dem Akku.
Mehr Augenmerk dürften potenzielle Kunden der Reichweite entgegenbringen, die mit 565 Kilometer okay, aber nicht unbedingt phantastisch zu nennen ist. An Bord befindet sich 800-Volt-Technologie mit einer 112- kWh-Batterie, die am 350-kW-Schnelllader in 22 Minuten von Null auf 80 Prozent zu laden ist. Am 11 kW-AC-Lader braucht der Polestar elf Stunden von Null auf 100 Prozent. Damit ist der Allradler ebenfalls im normalen Stand heutiger guter Technik. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Eine Besonderheit hat übrigens der Basis-Polestar 5 Dual Motor zu bieten: Durch Abkopplung des Heckmotors kann eine höhere Effizienz erreicht werden, womit eine Reichweite bis zu 670 Kilometer möglich ist.
Luftig und kommod im Inneren. Zumindest für die beiden vorderen Passagiere lässt sich diese Aussage uneingeschränkt bestätigen. Die tief montierten Sitze versprechen jenen Kontakt zur Straße, den man fernab der hochbeinigen SUV-Vorlieben in einem Grand Turismo sehr schätzt. Im Fond gibt’s aufgrund des gut drei Meter langen Radstands bezüglich der Gehwerkzeuge wenig zu kritisieren. Es wurde sogar an eine Aussparung im Bereich der Batterien gedacht, wodurch man spürbar angenehme Platzverhältnisse für die Beine der Hinterbänkler schafft. In der Regel dürften dies eher zwei als drei sein, sodass in der Mittelarmlehne Klima-Bedienelemente untergebracht sind.
Gewöhnungsbedürftig ist trotz lichtdurchflutetem Glasdachbereich einmal mehr das abfallende verblechte Heckdach. Der Fahrer kann dies durch einen digitalen Rückspiegel ausgleichen, ob den Passagieren jedoch auf Dauer im Sinne von Ambiente ein rückwärtiges Kunstlicht genügt, wird die Zukunft zeigen. Der Kofferraum ist – etwas übertrieben ausgedrückt – maßgeblich für den Transport des sprichwörtlichen Kleinen Schwarzen geeignet, was die Damenwelt betrifft. Denn mit 365 Liter Fassungsvermögen kann man keine Speditionsaufträge übernehmen. Mittlerer Trost: Unter der Fronthaube befindet sich noch ein 62 Liter fassendes Fach – der so genannte Frunk.
Das Beste zum Schluss. Wer sich Gedanken machen sollte, ob die Qualität des Innenraums der Fahrzeugklasse angemessen ist, dem sei gesagt: Alles paletti! Assistenten hat’s in Hülle und Fülle, vegane Materialien und feine Stöffchen entsprechen heutigen hochwertigen Ansprüchen in puncto nachhaltiger Unangreifbarkeit. Obendrein ist das schicke neue Flaggschiff ein echter Kosmopolit: Der Drei-Länder-Stromer Polestar 5 – Fahrzeugstruktur wurde in England entwickelt, Antriebs- und Batterieentwicklung stammt aus Schweden, und gebaut wird er in China – kann ab sofort bestellt werden. In der abgespeckten 747 PS/550 kW-Version namens Dual Motor kostet er ab 120.000 Euro. Die hier beschriebene Performance-Ausführung mit 884 PS/650 kW schlägt ab 143.000 Euro zu Buche.

