


Vollelektrisch in die Vergangenheit
Von Paul-Janosch Ersing
Über den vor Abgang von Ex-Renault-Chef Luca de Meo zur Luxus-Unternehmensgruppe Kering mag denken, was man will: Mit dem vollelektrischen Retro-Trio R4, R5 und Twingo hat er der französischen Marke quasi über Nacht neuen Schwung verliehen und eine Menge Charakter spendiert.
Der neue Twingo ist da! Damit bringt Renault frischen Wind in ein Segment, das von europaweit rund 1 Million pro Jahr verkaufter Fahrzeuge auf nur noch 600.000 geschrumpft ist. Die Gründe: Strengere Abgasregeln, gestiegene Sicherheitsstandards und der damit einhergegangene Preisanstieg bei den Modellen mit Verbrennungsmotor sowie zu wenig preisgünstige Angebote bei den Elektroautos. Kunden, die sich für Kleinstwagen interessieren, sollen laut Renault aber weiterhin genug vorhanden sein. Genau für diese Menschen rollt der Twingo Anfang 2026 elektrisch zu den Händlern – zu Preisen, die unter 20.000 Euro beginnen sollen.
Für das Geld gibt es dann ein Auto, dass in einer rekordverdächtig kurzen Zeit von weniger als zwei Jahren den Weg vom Stadium einer Designstudie zum Serienfahrzeug zurückgelegt hat. Um das Projekt zu stemmen, hat Renault eigens 150 Leute nach Shanghai beordert, wo gemeinsam mit den dort ansässigen chinesischen Spezialfirmen eine für den Twingo passende Batterie ausgewählt wurde. Herausgekommen ist ein LFP-Akku (Lithium-Eisenphosphat) mit 27,5 Kilowattstunden und platzsparender Cell-to-Pack-Technologie. Um immerhin 20 Prozent wollen die Franzosen die Kosten dadurch gesenkt haben.
Die vierte Generation nähert sich äußerlich stark dem Original an und lässt dank reichlich Retro-Designspielereien die eher nüchternen Auflagen zwei und drei ziemlich blass aussehen. Den Karosseriegestaltern ist es gelungen, die einzigartige Grundform der 1993 vorgestellten ersten Twingo-Generation mit viel Gefühl aufzublasen und mit einer Prise Modernität zu würzen. Tagfahrlicht-Rundbögen und ebenso geformte Rückleuchten lassen den Anblick des ersten Twingo zuverlässig vor jedem geistigen Auge erscheinen. Anstelle echter Plastik-Stoßstangen gibt es an allen vier Ecken Kunststoff-Schutzelemente, um die Schäden von ungewolltem Fremdkontakt abzumildern.



Aus ehemals 3,43 Metern sind über die Jahre 3,79 Meter Außenläge geworden. Statt einer großen Tür auf jeder Seite hat der neue Twingo jetzt auch für Menschen auf den hinteren beiden Plätzen je ein Portal. Vorne gelangt Frischluft durch elektrisch öffnende Fenster ins Innere, hinten lediglich durch für diese Fahrzeuggröße typische Ausstellfenster. Weil sich die beiden Einzelsitze im Fond serienmäßig separat um 17 Zentimeter längs verschieben lassen, wachsen je nach Bedarf die Beinfreiheit oder der Kofferraum (205 bis 305 Liter) an. Mit umgeklappten Rücksitzlehnen steigt der Stauraum bis unters Dach auf 966 Liter. Wer ab und zu längere Gegenstände bis zu zwei Meter transportiert, kann den Beifahrersitz mit vorklappbarer Lehne bestellen.
Gegenüber dem schlichten Cockpit des ersten Twingo mutet das aktuelle an wie eine digitale Kommandozentrale, die leider einige Zentimeter zu hoch baut. Vor allem kleinere Menschen auf dem Beifahrersitz müssen sich ziemlich strecken, um nach vorne überhaupt etwas von der Straße zu sehen. Hier zeigt sich, dass die gemeinsam mit R5 und R4 genutzte Basis namens „AmpR Small Platform“ in Sachen Übersichtlichkeit an ihre Grenzen stößt.
Der rund 1,2 Tonnen schwere Fünftürer rollt auf der Vorderachse von R5 und R4 und hinten auf der Halbstarrachse des konventionell angetriebenen Captur. Die weiteren technischen Kennzahlen lesen sich so, als könnte der Twingo vor allem innerstädtisch viel Freude machen: 82 PS/60 kW Leistung, AC- und DC-Lader (mit 11 bzw. 50 kW Ladeleistung) und eine WLTP-Reichweite bis zu 263 Kilometern.
Renault baut den Twingo dort, wo auch die beiden vorherigen Generationen gefertigt wurden: am slowenischen Standort Novo Mesto. Der Akku (CATL) und die permanenterregte E-Maschine (Shanghai E-Drive) kommen aus China. Das ist wenig überraschend. Allerdings tragen auch die Glasscheiben anstelle des gewohnten Saint-Gobain-Siegels den fernöstlichen Namen Fuyao.



