


Selber schalten und kurbeln
Das günstigste Auto auf dem hiesigen Markt war dieser Dacia schon lange – nun ist er mit einem Einstiegspreis von 12.400 Euro auch das einzige, das unterhalb der 15.000-Euro-Grenze zu haben ist.
Von Bernd-Wilfried Kießler
Was ist das für ein Auto? Es handelt sich zweifellos um ein vollwertiges Auto der Vier-Meter-Klasse, die einst nach dem langjährigen Marktführer Polo benannt war und heute folgerichtig Corsa-Klasse heißen müsste. Wir haben bewusst die günstigste Essential-Ausstattung gewählt, allerdings nicht die einfachste Motorisierung, in der ein Einliter-Dreizylinder 67 PS/49 kW leistet und damit nicht sparsamer fährt als die getestete 91-PS-Ausführung.
Wie fühlt man sich in diesem Auto? Auf unserem weiß lackierten Testwagen stand hinten der Dacia-Schriftzug ebenfalls in dieser Farbe, was dem Heck eine gewisse Eleganz verlieh. Die verschwand aber schnell wieder, sobald man in den Wagen einstieg. Denn hier ist alles zweckmäßig – durchaus hilfreich, wenn man ein Auto für die tägliche Fahrt von A nach B nutzt. Es gibt zum Beispiel drei Griffe am Dach für den Beifahrer und die beiden äußeren Mitfahrer im Fond, sehr praktisch, aber bei anderen Herstellern mitunter aus Kostengründen eingespart. Weggelassen im Sandero wurde der heutzutage üblich Bildschirm in der Mitte der Armaturentafel. Wir haben ihn nicht vermisst, denn die notwendigen Informationen lassen sich auf einem kleinen Feld zwischen den Rundinstrumenten abrufen – mit Hilfe von Druckknöpfen auf dem Lenkrad. Das gelingt leicht und führt nicht zur Ablenkung vom Verkehrsgeschehen, weil der Blick nach vorn zur Fahrbahn gerichtet bleibt. Keine Preisfrage dürfte die triste Farbgebung sein, bei der rundum Anthrazit eine mindestens langweilige Stimmung erzeugt. Wenigstens die Dachsäulen und den Dachhimmel hat man hell verkleidet. Wer meint, er könne seine Stimmung mit einer freundlichen Außenlackierung auflockern, der irrt: Den Sandero gibt’s derzeit nur farblos: weiß, grau und schwarz. Schade.
Welchen Antrieb hat das Auto? In drei Zylindern mit einem Gesamtbrennraum von 999 Kubikzentimetern wird ein Benzin-Luftgemisch entzündet, was mit Turbohilfe zu einer Leistung von 91 PS/67 kW führt. Wichtiger sind 160 Newtonmeter Drehmoment schon bei 2.100 Umdrehungen pro Minute, die ein wirklich schaltfaules Fahren ermöglichen, so dass man nicht ständig in den fünf handgeschalteten Gängen rühren muss. Das ist dann besonders angenehm, wenn man täglich eine hügelige Strecke zu bewältigen hat und an den Steigungen nach oben zirkeln kann, ohne den Schalthebel zu betätigen. Wer gar nicht schalten will und eine Automatik bevorzugt, muss dafür samt einer besseren Ausstattung mindestens 16.990 Euro bezahlen. Eine bivalente Ausführung mit Benzin und Autogas ist hingegen für 13.290 Euro wohlfeil. Kleinere Autos mit drei Zylindern bewegen sich in ihrer Geräuschentwicklung meist zwischen Schnatterente und Knurrhahn. Im Sandero hört sich der Motor unauffällig an, selbst dann, wenn der Turbo spürbar einsetzt. Gleiches trifft für das Fahrwerk zu.
Was bietet dieses Auto? So bescheiden sich der Sandero im Inneren zeigt – er ist kein abgemagertes Sparauto. Sechs Airbags und ein Spurhalteassistent dienen schon in der Grundausstattung der Sicherheit, ebenso die LED-Scheinwerfer bei Dunkelheit. Dazu schützt ein Notbremsassistent, der auch Fußgänger und Radfahrer erkennt. Es gibt eine Reihe von Komforteinrichtungen, die im Preis inbegriffen sind, etwa Regensensor, Tempomat, Einparkhilfe hinten. Das Abblendlicht schaltet sich automatisch ein, wenn’s zum Beispiel in einen Tunnel geht oder die Nacht hereinbricht. Für eine Klimaanlage verlangt der Dacia-Händler 800 Euro zusätzlich. Was soll’s, dass die Außenspiegel an kleinen Hebeln von Hand eingestellt werden und die Hinterbänkler ihre Scheiben von Hand kurbeln! Diese Ausstattung heißt bekanntlich Essential – in der Tat müssen solche Dinge nicht essenziell elektrisch bewegt werden.
EIn bisschen meckern müssen wir aber doch: Der mittlerweile europäisch vorgeschriebene Warnton bei Überschreibung der erlaubten Geschwindigkeit klingt mehrfach wiederholt ausgesprochen nervig. Noch schriller ist die ins Wageninnere übertragene Klingelton-Arie bei einem Telefonanruf. Damit könnte man Tote wiedererwecken. Das geht weit über den guten Ton hinaus und kann nichts mit dem preiswerten Angebot zu tun haben, mit dem Dacia zu Recht wirbt. Was den Stauraum betrifft, so überbietet der im Sandero mit seinen 329 Litern den Marktführer Opel Corsa um zwanzig Liter. Die Ladekante maßen wir mit 77 Zentimeter, innen geht’s 25 Zentimeter abwärts – rückenschonend ist beides nicht. Klappt man die hinteren Lehnen nach vorn, entsteht eine 17 Zentimeter hohe Stufe. Da dürfen die Innenraum-Entwickler gern noch einmal nachdenken oder sich anderswo bessere Lösungen abschauen. Unter dem Ladeboden ist Platz für ein Ersatzrad zum Preis von 190 Euro. Im Testwagen lagerte in der runden Mulde ein Reifendichtmittel – mit zusätzlichem Raum für Kleinigkeiten.
Autogramm
Dacia Sandero TCe 90 Essential
Typ: Kleinwagen; Preis: 13.290 Euro; Länge: 4,09 Meter; Breite: 1,76 Meter; Höhe: 1,49 Meter; Radstand: 2,60 Meter; Leergewicht: 1123 Kilogramm; Zuladung: 412 Liter; Kofferraum: 329/1108 Liter; Sitz: fünf; Tankinhalt: 50 Liter; Motor: Otto-Dreizylinder; Hubraum: 999 Kubikzentimeter; Leistung: 91 PS/67 kW bei 4600-5000 U/min; Drehmoment: 160 Newtonmeter bei 2100-3750 U/min; Getriebe: Fünfgang-Schaltung; Spitze: 180 km/h; 0 auf 100 km/h: 12,3 Sekunden; Normverbrauch: 5,3 Liter Benzin; CO2 -Ausstoß: 119 Gramm/km; Testverbrauch: 6,2 Liter.


