Heureka, eine neue Limousine!

Mazda hält es weitgehend wohltuend übersichtlich bei der erwartungsgemäß gut bestückten batterieelektrischen Fließhecklimousine 6e: zwei Ausstattungen, zwei Kofferräume, zwei Batteriegrößen – aber mehr als zwei Fummeleien.   

Von Gundel Jacobi

Flache Flunder mit großer Klappe. Fast schon unterwürfig duckt sich der gerade eineinhalb Meter hohe Mazda 6e auf den Asphalt – zumindest, wenn man die fast fünf Meter lange Limousine mit all den SUVs vergleicht, die hochaufgereckt das Straßenbild derzeit bevölkern. Dabei ist die nagelneue Fließhecklimousine keine flache Flunder für die Sparte Rennen & Rallye und schon gar kein Leichtgewicht, was wiederum ihrer Elektrozugehörigkeit mit schwerem Akkupack zuzuschreiben ist: Zwei Tonnen im Leerzustand müssen erst mal in Bewegung gebracht werden. Mazda 6 ist beileibe keine neue Modellbezeichnung, kennt man sie doch schon seit 2002, als das Auto drei Generationen lang bis 2024 auch nach Europa geschippert kam. Den Unterschied zu allen vorigen japanischen 6ern macht außer dem neuen Karosseriekleid auch der Zusatz „e“, der das Modell erstmals zum batterieelektrischen Stromer macht. Überdies muss der 6e mit großer Heckklappe künftig allein durch Welt surren, denn es wird ihn auch später weder als Kombi noch mit kurzer Klappe geben. Zum nicht rekordverdächtigen Kofferraum im Heck (466 Liter) kommt noch ein Frunk (72 Liter) unter der vorderen Haube hinzu. 

Erweiterte Wiedererkennung. Man muss den Designern ein Lob aussprechen: In Anlehnung an den eleganten 6er in dritter Generation ist ein Wurf mit Wiedererkennungswert und doch weiterentwickelter Karosserie gelungen. Der lange Vorderwagen findet seinen Abschluss in einer großen geschlossenen Maske, in deren Mitte die Mazda-Schwingen als deutliches Emblem der Markenzugehörigkeit prangen. Auch die langgezogenen schmalen Scheinwerfer passen gut zu den leicht gewölbten Kotflügeln. Nach hinten steigt der 6e betont keilförmig an zur zweiten Schokoladenseite: dem Heck. Klare Linien, Flächen ohne Schnörkel und ein durchgezogenes unaufdringliches  Bremsleuchtenband zeigen, dass auch die neuzeitliche Elektrolimousine eine Vertreterin vollendeter Eleganz sein kann. Der Clou ist hier hinten erst ab Tempo 90 erkennbar, wenn der Spoiler hochklappt und ab Tempo 50 wieder brav zurückfährt.       

Ein bisschen Gefummel. Bündig schließen die Türgriffe, wenn man das Auto verlässt. Umgekehrt war es ein paarmal fummelig, den Bügel wieder herauszuziehen – vermutlich alles Gewohnheitssache. Im Inneren macht der Wagen in seiner cognacfarben-hellen Ausstattung der gewollt hochwertigen Anmutung alle Ehre. Man nimmt gerne Platz auf den gut geformten Sitzen – die massive Mittelkonsole macht keinen Hehl aus dem offensichtlichen Effekt, dass man im 6e wie in einer wohlsortierten Pralinenschachtel sitzt. Das innen leicht geschwungene und unten abgeflachte Lenkrad liegt fein in den Händen, auch Mazda verzichtet mittlerweile auf einen Motorstarknopf. Nun muss man nur noch die Spiegel einstellen, sich anschnallen und den Automatikhebel am Lenkrad zum Einlegen der Fahrstufe bedienen. Genau hier liegt ein Ungemach: Die Außenspiegel lassen sich neuerdings nicht mehr über Tasten in Türnähe bewegen, sondern über den berührungsempfindlichen Monitor. Dieses unsinnige zentrale Tipp-Tapp ist wie ein grassierendes Virus in der Automobilwelt: zahllose Menüs und Untermenüs statt einfachem Bedienkonzept am jeweiligen Objekt, dort, wo es möglich ist. Warum zudem die Scheibenwischer über einen Druckpunkt am Lenkrad statt an einem Hebel hinterm Lenkrad aktiviert werden? Keine Ahnung; unabsichtliches Drauftippen im Fahrbetrieb ist definitiv vorprogrammiert. Apropos unabsichtlich: Während der mehrstündigen Testfahrt im Duo hat sich entweder die Spracherkennungs-Mausi oder der Gesten-Sekretär mehrfach sprachlich eingeschaltet und nach unseren konkreten Wünschen gefragt. Welcher der beiden wodurch ausgelöst wurde, war nicht auszumachen. So ist es halt auch wieder – ungewollte Überbehütung führt zu gewissen Verdrießlichkeiten.     

Rechenspiele mit zwei Ausführungen. Man kann beim stets heckgetriebenen 6e zwischen zwei Leistungen wählen. Da ist zum einen die Basisversion ab 44.900 Euro mit 258 PS/190 kW und einer Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie (LFP), deren Kapazität 68,8 kWh beträgt. Reichweite in diesem Fall: 479 Kilometer. Oder man greift zur so genannten Long-Range-Ausführung ab 46.500 Euro mit 245 PS/180 kW; sie hat eine Nickel-Kobalt-Mangan-Batterie (NCM) an Bord, deren Kapazität 80 kWh ausweist. Die Reichweite wird mit 552 Kilometer angegeben. Bevor man zu einem Würfel greift, um ihn über die doch recht nahe beieinander liegenden Werte entscheiden zu lassen, könnte folgende Information das Zünglein an der Waage sein: Beim Schnellladen hat die Basisversion die Nase vorn, das heißt, sie lädt mit zeitweiligen 165 kW in 24 Minuten von zehn auf 80 Prozent. Der Long-Range-Akku braucht dafür 47 Minuten, da seine maximale Ladeleistung nur 90 kW beträgt.    

Unterwegs in der Basisvariante. Den Atem hat uns der 6e beim Lostraben nicht geraubt. Das ist auch gar nicht nötig, denn es hat sich längst in der stromernden Schar herumgesprochen, dass man zugunsten wertvoller Reichweite besser auf unnötige Sprints verzichtet. Wer die Sitzposition einer Limousine in der Nähe der Fahrbahn mag, kommt beim 6e auf seine Kosten, zumal das ausgewogen abgestimmte Fahrwerk angenehm zurückhaltendes Mitschwingen über dem Asphalt erlebbar macht. Zugegeben, die Testtour fand an einem launischen Regentag mit gemäßigtem Druck aufs Fahrpedal statt; aber es ging munter über Berg und Tal sowie über die Autobahn. Umso angenehmer überrascht wurden wir von der Bordcomputer-Verbrauchsanzeige: Mit 14,4 kWh lagen wir deutlich unterm WLTP-Normverbrauch von 16,6 kWh. Spielereien wie die drei Fahrprogramme Normal, Sport und Individual sind ebenso serienmäßig wie das Head-up-Display, Sony-Soundsystem mit 14 Lautsprechern, Panoramaglasdach und die elektrische Heckklappe. Erwähnenswert sind zudem 64 Ambiente-Farben, die auf Wunsch passend zur Musik pulsieren, sowie ein Luftreinigungssystem mit Ionisator, sodass nach Mazda-Angaben Bakterien und Gerüche beseitigt werden.

Was fehlt? Selbstverständlich sind in der gehobenen Mittelklasselimousine die gängigen Assistenzsysteme wie etwa Geschwindigkeitsüberwachung und Spurhalteassistent mit Lenkeingriff bis zum Querverkehrswarner vorne und hinten aufpreisfrei an Bord. Aber für den von einigen Nutzern über viele Jahre geschätzten Knopf zum Abschalten gewisser nervig piepsender Assistenten gab es leider kein Plätzchen mehr.  

Autogramm

Mazda 6e Takumi

Typ: Fließhecklimousine; Preis: 44.900 Euro; Länge: 4,92 Meter; Breite: 1,89 Meter; Höhe: 1,49 Meter; Radstand: 2,90 Meter; Leergewicht: 2037 Kilogramm; Zuladung: 425 Kilogramm; Kofferraum: 336 + 72 vorne Liter; Sitze: fünf; Motor: Elektromotor, Permanentmagneterregte Synchronmaschine; Leistung: 258PS/190 kW; Drehmoment: 320 Newtonmeter; Spitze: 175 km/h; 0 auf 100 km/h: 7,6 Sekunden; Batterietyp: Lithium-Ionen-Akku; Batteriekapazität: 68,8 Kilowattstunden (kWh); Reichweite: 479 Kilometer; Wallbox Wechselstrom 11 kW (0-100 Prozent): 7 Stunden 18 Minuten, Ladestation Gleichstrom 165 kW (10-80 Prozent): 24 Minuten, Stromverbrauch: 16,6 kWh/100 Kilometer; CO2-Ausstoß: 49 Gramm/Kilometer (Strommix Deutschland).


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