Fabelhaftes Freiluftvergnügen

Was liegt näher, als mit einem Cabrio bei geöffnetem Verdeck einfach nur in warmer Sommerluft dahinzugleiten? Richtig: Während andauernd nass-kaltem Regenschauerwetter rettet die Stoffhaube. Deshalb gibt’s hier den Erfahrungsbericht in verflixt launischem Wettermix.  

Von Gundel Jacobi

Was ist das für ein Auto? Auf jeden Fall gehört es zu einer verschwindend kleinen Nische: viersitziges Cabrio mit Stoffdach – unter 100.000 Euro. In der Mercedes CLE-Cabrio-Klasse wird man gerade noch fündig beim BMW 4er Cabrio, dem stoffbehüteten Ford Mustang und eine Preisklasse tiefer dem VW T-Roc Cabrio sowie dem im britischen Oxford-Werk gebauten Mini Cabrio. Kein Mensch wird einen Gedanken daran verschwenden, ob das mit seiner langen Motorhaube ziemlich schnittig aussehende CLE-Cabrio alltäglichen Transportaufgaben gewachsen ist. In erster Linie muss ein Cabrio schön aussehen und Freiluftvergnügen bieten. Deshalb stört die kurze Heckklappe ebenso wenig wie der recht flache, dafür weit nach vorne gezogene Kofferraum; ist selbiger nämlich voll, muss man für kleinere Gepäckstücke ein bisschen hineinkriechen.     

Wie fühlt man sich in diesem Auto? Es ist schon beim Türöffnen spürbar: Solide gefertigte und ziemlich lange Portale fordern ihren Tribut. Sie sind einerseits schwer und andererseits in engen Parklücken gar nicht so einfach zu öffnen, um genügend Türausschnitt für ein elegantes Hinein- oder Herausgleiten zu ermöglichen – von der nicht eben ausladenden Höhe von 1,43 Meter ganz abgesehen. Hinten Sitzenden reicht man dafür sinnvollerweise einen Arm oder lässt sie am besten unbeobachtet turnen. Dabei können sie dort ganz gut eingepasst die Fahrt erleben. Sofern das Dach geöffnet ist, benötigt das Hinein- oder Herauszirkeln keiner besonderen Erwähnung. Bei allem Fortschritt: Gewisse Anordnungen und feine Materialien sind seit Urzeiten gesetzt und völlig in Ordnung, denn warum sollte man den Automatikhebel am Lenkrad woanders hinsetzen? Oder die Sitzeinstellung in den Türarmaturen. Dabei geht die Entwicklung ja auch bei den Sterndeutern nicht spurlos vorbei – der Bildschirm zum Wischen und Tippen, digitale Unterstützungen in der Grafik, das Head-up-Display und eine ziemlich perfekte Sprachbedienung. Umso erstaunlicher, dass wir doch hier und da mal die Stirn runzeln mussten: Die Ablageflächen sind mau, der Scheibenwischer hat uns in seiner stärksten Funktion ziemlich im Stich gelassen, die Abbiegepfeile in der Infozentrale vor dem Lenkrad sind durch selbiges in allen Sitz- und Lenkradhöhen während des Blinkens nicht einsehbar. Da haben wir uns im ehrwürdigen Mercedes-Slogan „Das Beste oder nichts!“ nicht wiedergefunden.

Welchen Antrieb hat das Auto? Mehrere Benziner und ein Diesel stehen zur Verfügung. Wir haben uns für den Zweiliter-Selbstzünder mit 197 PS/145 kW entschieden – eine feine Wahl nicht nur auf längeren Touren, denn auch in höherem Autobahntempo um 150 km/h konnten wir eine Reichweite von gut 1000 Kilometer von Zapfsäule zu Zapfsäule notieren. Der Dieselmotor ist wie alle CLE-Triebwerke mild hybridisiert. Somit gibt es die Unterstützung eines 48- Volt-Bordsystems samt integriertem Startergenerator. Hierdurch werden 23 PS/17 kW elektrische Leistung und 205 Newtonmeter Drehmoment aktiviert, was ein spürbar angenehmes Anfahren ohne jegliche Dieselgeräuschkulisse ermöglicht und natürlich auch Beschleunigungsspitzen kraftstoffmäßig abmildern hilft. Man würde meinen, dass die Neunstufen-Automatik über jeglichen Zweifel erhaben ist, tatsächlich waren vor allem im niedrigen Geschwindigkeitsbereich in der Stadt ab und an mal klitzekleine Stolperer zu vernehmen – ungewöhnlich, aber auch nicht tragisch. Mit dem Hecktriebler lässt es sich sehr komfortabel dahingleiten, und genau dafür ist ein Cabrio auch gemacht; zumindest geht man gerade damit nicht auf Kurvenhatz. Es sollte entsprechend der dahingegossenen Haute Couture die Eleganz im Vordergrund stehen. Diese wird zweifelsohne durch die fabelhafte Fahrwerksabstimmung nahezu perfekt in Szene gesetzt.    

Welches Freiluftvergnügen bietet einem dieses Auto? Da können wir aufgrund der anfangs erwähnten anhaltenden massiven Regenwetterperiode leider nur auf wenige gezielte Erlebnisse zurückgreifen. Allerdings waren diese wirklich sehr angenehm. Mit einem Knopfdruck in der Mittelkonsole öffnet sich das Dach und verschwindet im Kofferraum, der dann natürlich von 385 Liter mit geschlossenem Verdeck auf 295 Liter bei abgesetztem Häubchen schrumpft.

Ziemlich genial ist das Aircap-System, wenn also nach geöffnetem Verdeck auf einen weiteren Knopfdruck hin oben an der Windschutzscheibe ein Windabweiser ausfährt und hinter den Fond-Kopfstützen eine Art klassisches Windschott nach oben katapultiert wird. Schaltet man dann noch die Nackendusche mit wärmender Luft aus den Kopfstützen ein, ist man quasi temperaturunabhängig. Denn Luftverwirbelungen spielen im gesamten geöffneten Fahrgastrevier kaum noch eine Rolle – selbst hinten sitzen die Mitfahrenden erstaunlich windgeschützt. Nur gegen Regen hilft allein die Stoffhaube. Zugegebenermaßen bereiteten uns auch die Touren in geschlossenem Zustand einige Freude, zumal die Geräuschdämmung durchs Verdeck vorbildlich gelungen ist. Wem womöglich die Entscheidung für ein Cabrio schwer fällt, aber das Karosseriekleid des flott geschnittenen CLE gefällt, der oder die kann zum Coupé greifen.    

Autogramm

Mercedes CLE Cabrio 220d

Typ: Cabrio; Preis: 69.514 Euro; Länge: 4,85 Meter; Breite: 1,86 Meter; Höhe: 1,43 Meter; Radstand: 2,87 Meter; Leergewicht: 2000 Kilogramm; Zuladung: 457 Kilogramm; Kofferraum: 385 Liter; Sitze: vier; Tankinhalt: 66 Liter; Motor: Diesel-Vierzylinder; Hubraum: 1993 Kubikzentimeter; Leistung: 197 PS/145 kW bei 3600 U/min; Drehmoment: 440 Newtonmeter bei 1800-2800 U/min; Getriebe: Neunstufen-Automatik; Spitze: 234 km/h; 0 auf 100 km/h: 7,9 Sekunden; Normverbrauch: 5,4 Liter Diesel, CO2-Ausstoß: 142 Gramm/km, Testverbrauch: 5,8 Liter; Abgasnorm: Euro 6e.


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