Wedelnder Elektro-Freund

Es ist immer ein Wagnis, ikonenhafte Fahrzeuge aus längst vergangenen Zeiten neu aufzulegen. Sollte man die ersten Reaktionen ernst nehmen, könnte Renault mit dem hippen Elektro-Nachfolger seines einstigen Ur-R5 „Der kleine Freund“ (gebaut zwischen 1972 und 1996 in mehr als neun Millionen Exemplaren) durchaus mehr als nur Achtungserfolge erzielen.

Von Gundel Jacobi

Erstling auf reiner Elektro-Plattform. Natürlich fällt er in der knalligen hellgrünen Lackierung sofort auf. Aber den Designern ist es auch gelungen, das Äußere des Kleinwagens in Anlehnung an das Karosseriekleid seines berühmten Vorgängers wieder aufzugreifen und – vielleicht noch wichtiger: es gekonnt neu zu interpretieren. Dazu gehört, dass er von allen Seiten ein bisschen watschelig dasteht, will sagen: In der Karosseriearchitektur wirkt er breit auf vier Räder gestellt, von dort geht es optisch schmaler werdend nach oben. Besonders gut kann man dies am Heck nachvollziehen. Selbst die Scheinwerfer vorne und hinten schwören vor dem geistigen Auge unwillkürlich den Ur-R5 herauf. Eine pfiffige Idee steckt in der Motorhaube, denn auf der Fahrerseite gibt es eine Art Digital-Display, auf dem – nicht ganz überraschend – eine große 5 abgebildet ist. Eingepasste Leuchtelemente informieren auf den ersten Blick in ebenfalls fünf Balken, wie es um den Ladezustand des Fahrzeugs bestellt ist. Wer Freude daran hat, sich von seinem kleinen Elektro-Freund leuchtend begrüßen zu lassen, wird mittels einer eben auf diesem Display stattfindenden inszenierten Lightshow angestrahlt. Nicht wirklich praktisch sind die hochkant in die Fenster hineingepfriemelten Türgriffe für die Fondportale. Das ist immer wieder ein umständliches Gefummel. Aber irgendwie scheint das dafür zuständige Team Gefallen daran gefunden zu haben – sie ziehen sich durch manche der hauseigenen Modelle. Was man übrigens nicht sieht: Der Wagen steht auf einer nagelneuen Plattform von Renault, die ausschließlich für Elektrofahrzeuge gedacht ist, wobei dem R5 die Ehre des Erstlings zuteil wird.

Französische Lebensart mit Baguette-Korb. Ganz und gar keine Erstlings-Merkmale befinden sich im Innenraum. Denn so oder so ähnlich geht es heutzutage in den meisten Cockpits zu und ist im R5 E-Tec ein Zeichen dafür, dass tendenziell auf bewährte Anordnungen gesetzt wird. Da kann man nicht meckern, denn die Aufteilung der beiden Bildschirme im Querformat vor dem Lenkrad und in der Mitte entlang der Armaturentafel gehört zu den gut einsichtigen Elementen des alltäglichen digitalen Arbeits- und Informationsbereiches. Ebenfalls gut zu bedienende Schalter und Tasten für manchen Kurzbefehl sitzen griffgünstig auf Lenkrad und Mittelkonsole. Der Wählhebel zum Einlegen der Fahrtrichtungen ist direkt vom Steuer aus zu betätigen. Hübsches Detail: Mit der darauf abgebildeten Jahreszahl 1972 wird man an die Geburt des Vorfahren erinnert. Durch einen kurzen „Renault“-Ruf ist die Sprachbedienung zu aktivieren, die unter anderem solche Nettigkeiten wie Fenster öffnen oder schließen zu tun in der Lage ist – keineswegs üblich in der Kleinwagenklasse. Mit einer zweimaligen kurzen Befehlseingabe auf „My Safety“ verabschiedet sich der sowieso schon recht dezent klingelnde Warnton zur Überschreitung der Geschwindigkeitsvorgaben. Ungewöhnlich laut hingegen klopft der Fahrtrichtungsblinker, gegen dessen Lautstärke man leider machtlos ist. Ziemlich witzig, da einmalig, ist der auf Wunsch erhältliche längliche Baguette-Korb links vom Beifahrersitz, wo eingefleischte Frankreich-Liebhaber zumindest ihrem Hang zum Savoir vivre bildhaft frönen können. Der Sitzkomfort ist angemessen, hinten geht es bauartbedingt eng zu, da muss man sich nichts vormachen. Der Kofferraum indes fasst ordentliche 326 Liter, die sich auf gut einen Kubikmeter vergrößern lassen. Solcherart mittels Umklappen der zweigeteilten Rückbank auf maximale Transportkapazität getrimmt, gibt es jedoch eine mächtige Stufe im Ladeboden.   

Leichtfüßig wieselt der Kleinwagen. Der stromernde R5 E-Tec ist derzeit in zwei Ausführungen erhältlich: Gemäß der Bezeichnung 120 Urban Range steckt in ihm ein 122 PS/90 kW starker Elektromotor samt 40-kWh-Batterie. Mit ihm wird unter Idealbedingungen eine Reichweite von rund 300 Kilometern ermöglicht. Bei der Fahrvorstellung hatten wir den 150 Comfort Range zur Verfügung, der mit einem 150 PS/110 kW leistenden E-Motor bestückt ist. Seine 52-kWh-Batterie ist auf eine Reichweite bis zu 400 Kilometer ausgelegt. Wir hatten auf der gemischten Testtour über Land einen ziemlich flotten Eindruck vom vergleichsweise leichten R5 mit 1,5 Tonnen Leergewicht. Er wieselte völlig problemlos auch Steigungen hinauf, ohne dass ihm die Puste ausging; beim Hinabfahren schalteten wir mehrfach in die stärkere Energierückgewinnungsstufe B und konnten so weitere Kilometer bunkern. Kein Wunder dass unser Stromverbrauch mit 15,5 kWh nur knapp den Normverbrauch von 15,2 kWh (45 g CO2-Ausstoß) verpasste. Bei Tempo 150 ist Schluss für den kecken Franzosen – das macht Sinn, um die Reichweite nicht über Gebühr zu beanspruchen, und für Überholmanöver reicht dies allemal. Auch wenn der Wagen kein ausgewiesener Sportsfreund ist – ein bisschen wendiges Wedelgefühl kommt schon in ihm auf. Das liegt neben wählbarem Comfort-, Eco- und Sportfahrmodus nicht zuletzt an seiner Federung, die durchaus in die straffere Fraktion gehört.                      

Beherzter Griff ins Geldsäckchen. Es ist schon eine Stange Geld, die man für diesen französischen Elektriker ausgeben muss. Wohlgemerkt: Es handelt sich um einen Kleinwagen, aber eben um ein hippes E-Fahrzeug mit legendären Wurzeln. Der Renault 5 E-Tec 120 Urban Range steht ab 27.900 Euro beim Händler, für den von uns gefahrenen E-Tec 150 Comfort Range werden mindestens 30.900 Euro fällig.  

Autogramm

Renault 5 E-Tec Evolution 150 Comfort Range

Typ: Kleinwagen; Preis: 30.900 Euro; Länge: 3,92 Meter; Breite: 1,77 Meter; Höhe: 1,50 Meter; Radstand: 2,54 Meter; Leergewicht: 1524 Kilogramm; Zuladung: 396 Kilogramm; Kofferraum: 326-1106 Liter; Sitze: fünf; Motor: Elektromotor, Permanentmagneterregte Synchronmaschine; Leistung: 150PS/110 kW; Drehmoment: 245 Newtonmeter; Spitze: 150 km/h; 0 auf 100 km/h: 8,0 Sekunden; Batterietyp: Lithium-Ionen-Akku; Batteriekapazität: 52 Kilowattstunden (kWh); Reichweite: 405 Kilometer; Ladedauer Wallbox Wechselstrom 11 kW: 3 Stunden 13 Minuten, Ladestation Gleichstrom 100 kW: 30 Minuten (15-80 Prozent), Stromverbrauch: 15,2 kWh/100 Kilometer; CO2-Ausstoß: 45 Gramm/Kilometer (Strommix Deutschland).


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