Astreiner Alleskönner

Auch wenn viele so aussehen wollen: Echte Geländewühler und Zugtiere sind selten geworden in der automobilen Welt. Ein eindeutiger Vertreter von praktischem Nutzen und luxuriösem Pkw-Komfort ist der Brite Discovery mit 35jähriger Historie – mittlerweile in fünfter Generation.

Von Gundel Jacobi

Was ist das für ein Auto? Es ist schon bemerkenswert: Im Kfz-Schein steht, dass es sich beim Discovery um eine Kombilimousine handelt. Dabei erschließt es sich auf den ersten Blick, dass der Disco, wie ihn seine Fans liebevoll nennen, ein astreiner Geländewagen ist. Ob der Luxus-Offroader tatsächlich den Asphalt verlässt, liegt in den Händen seiner Besitzer – auf jeden Fall könnte er es tagtäglich tun, ohne mit dem Fahrwerk zu zucken und zu rucken. Im Laufe seiner 35-jährigen Geschichte hat er jedenfalls schon sämtliche Boote sowie Pferde gezogen und bis hin zu legendären Rallyes alles mitgemacht, was es abseits fester Straßen so gibt. Fakt ist aber auch, dass er hierzulande seine Hoch-Zeit hinter sich hat, was die Verkaufserfolge betrifft. So wird er auch in diesem Jahr keine vierstelligen Verkäufe mehr landen können. Schade eigentlich, denn die fünfte Disco-Generation ist ein zuverlässiger Alleskönner im Dienste ihrer wohlhabenden Kundschaft.   

Wie fühlt man sich in dem Auto? Hier gibt es nur eine Antwort: echt majestätisch, wie es sich für ein Fahrzeug dieser Klasse aus dem Vereinigten Königreich gehört. Das heißt, man kann stets aufrecht mit der gebotenen Würde eines luxuriösen Vorankommens am Steuer oder auf den weiteren sechs Plätzen thronend Raum und Zeit um sich herum gelassen betrachten und gegebenenfalls angemessen reagieren. Optik, Haptik und Olfaktorik üben einen ganz eigenen Reiz aus, sodass man sich im Inneren in aller Ruhe dem Sehen, Tasten und Riechen widmen kann. Ob das übertrieben ist? Keineswegs. Wer sich die Mühe macht, Discovery-Insassen näher zu betrachten, kann genau dieses feststellen.

Welchen Antrieb hat dieses Auto? Wer mag es einem Discovery verdenken, wenn unter seiner Motorhaube 350 Pferde trappeln – wobei es sich selbst bei zugfreudigen Aktionen eher um ein Schnurren in unterschiedlichen sonoren Tonfolgen handelt. Der Reihensechszylinder-Turbodiesel ist vom Feinsten, und jedes Mal, wenn man anfährt, gibt es diese Millisekunde, in der genau spürbar ist, wie der Vierbeiner vom Halfter gelassen wird. Dank 48-Volt-Technologie samt Startergenerator reiht sich der Allrad-Alleskönner in die Riege der Mildhybriden ein. Mehr Stromunterstützung zur Kraftstoffreduktion ist offenbar nicht gewünscht – klar, jede Elektromaschine mehr würde das Leergewicht von knapp 2,5 Tonnen kontraproduktiv noch weiter in die Höhe treiben.

Auch wenn die Achtstufen-Automatik denkbar sanft schaltet und die Luftfederung vorbildlich dämpft – irgendwie stellt sich bei jedem Manöver der Eindruck ein, man befinde sich in einem schiffsähnlichen Gefährt. Also – ein gewisses wuchtiges Fahrgefühl ist allzeit vorhanden, wozu allein schon ein Wendekreis von beinahe 13 Meter raumgreifend beiträgt. Ein ideales Stadtauto ist der britische Gentleman definitiv nicht. Sobald Fahrzustände mit Schlamm und Geröll, Wiese oder Schnee oder gar Felsbrocken angesagt sind, ist der Allrad-Land Rover sowieso in seinem Element. Mittels seines elektronischen Terrain Response Systems kann man sich bis hin zum Untersetzungsgetriebe auf jegliche Situation diesseits und jenseits der Alpen einstellen. Nach der Norm benötigt der Geländekraxler 8,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Dies richtet sich nachvollziehbarerweise entscheidend nach seinen Einsätzen. Wir waren während der Testzeit mehrheitlich auf festem Untergrund ohne starke Beladung mit höchstens Tempo 130 unterwegs. Somit pendelte sich der Testverbrauch auf respektable 8,6  Liter Kraftstoff ein.

Was bietet einem das Auto? Hier ist die Liste schier unendlich lang. Ein praktischer Vorteil liegt in der Besetzung bis zu sieben Personen, denn es gibt auf Wunsch eine dritte Reihe mit zwei versenkbaren Einzelsitzen. Wenn es sich nicht gerade um Daddy Langbein handelt, können auch Erwachsene dort hinten ordentlich sitzen – an  Höhe mangelt es innen im außen fast auf 1,90 Meter gereckten Geländewagen sowieso nicht wirklich. Aber natürlich müssen sie sich in gebeugter Haltung dorthin hangeln. Das ist vielleicht die einzig unmajestätische Körperhaltung an Bord. Obendrein schrumpft bei voller Bestuhlung der noch nutzbare Siebensitzer-Kofferraum auf 172 Liter –  gegenüber dachhoch 922 Liter hinter fünf Sitzen. Sofern alle Sitze zu einer ebenen Fläche umgeklappt sind, passen bis zu zwei Kubikmeter unters Dach. Zudem kann der Disco bis zu 3,5 Tonnen an den Haken nehmen und 90 Zentimeter tiefes Gewässer durchwaten. Seine Bodenfreiheit beeindruckt im Gelände mit 28 Zentimetern, und wer in einem Testgelände miterlebt, wie ein Disco 45 Grad Steigung oder Gefälle meistert, dem kann dabei wahrlich mehr oder weniger wohlig schwindelig werden, und er sich das Geld für eine Achterbahnfahrt sparen.

Welche elektronischen Helfer hat dieas Auto? Abgesehen von schon weiter oben Genanntem bietet er in Sachen Konnektivität und Assistenz zeitgemäß Gewohntes – vom Spurhaltehelfer und Totwinkelassistenten über eine umfassende Bergabfahrhilfe sowie der adaptiven Geschwindigkeitsregelung bis zur 360-Grad-Einparkhilfe. Bald legendär wird das Kamerasystem sein, das quasi einen Blick durch die Motorhaube ermöglicht; hierdurch lassen sich ansonsten unerkennbare Hindernisse voraus klar orten.

Was kostet ein nagelneuer Land Rover Discovery? Wie so häufig im Leben kommt es auf die Extras an. Es geht los beim fünfsitzigen Modell, grundsätzlich ist der Geländewagen mit einem Dreiliter-Sechszylinder-Turbodiesel und Achtstufen-Automatik bestückt. Der 249 PS/183 kW starke D250 steht ab 78.600 Euro in der Preisliste, der getestete 350 PS/257 kW leistende D350 beginnt bei 83.200 Euro. Dies kann sich in vier weiteren Ausstattungen auf 113.000 Euro hochschrauben. 

Autogramm

Land Rover Discovery D350 AWD Dynamic HSE

Typ: Luxus-Geländewagen; Preis: 99.800 Euro; Länge: 4,96 Meter; Breite: 2,07 Meter; Höhe: 1,89  Meter; Radstand: 2,92 Meter; Leergewicht: 2442 Kilogramm; Zuladung: 803 Kilogramm; Kofferraum: 172-1997 Liter; Sitze: sieben; Tankinhalt: 89 Liter; Motor: Diesel-Sechszylinder; Hubraum: 2997 Kubikzentimeter; Leistung: 350 PS/257 kW bei 4000 U/min; Drehmoment: 700 Newtonmeter bei 1500-3000 U/min; Getriebe: Achtstufen-Automatik; Spitze: 209 km/h; 0 auf 100 km/h: 6,3 Sekunden; Normverbrauch: 8,5 Liter Diesel, CO2-Ausstoß: 223 Gramm/km, Testverbrauch: 8,6 Liter.


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