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„Ich kann, wenn ich will!“
Jeder vierte neu zugelassene Skoda in Deutschland hat einen Stromanschluss – als batterieelektrisches Modell oder mit kombiniertem Benzin-Elektro-Antrieb. Deshalb ist der tschechische Hersteller bemüht, auch kleine Angebotslücken zu schließen: Mit dem kompletten Stromer Enyaq in RS-Ausführung bekommen die Liebhaber besonders leistungsstarker Modelle nun auch einen bärenstarken Kompaktwagen – mit 340 PS/250 kW in Coupé- oder SUV-Form.
Von Gundel Jacobi
Auffällige Summe der Kleinigkeiten. Es ist nicht zufällig, dass das Enyaq-Spitzenmodell den Zusatz RS trägt: Traditionell tragen auserwählte Skodas mit der Leistungskrone das „Rallye Sport“-Kürzel. Äußerlich gibt es sogar zwei verschiedene Karosserieformen, wie sie auch bei den Basisversionen auftreten, nämlich als kompaktes SUV sowie als Coupé. Schmale Matrix-Hauptscheinwerfer, welche die so genannte Tech-Deck-Spange einrahmen, und quer laufende, schwarz glänzende Dekorelemente an der Vorderwagenmaske machen auf die spezielle Besonderheit der Topmotorisierung ebenso aufmerksam wie die RS-Plakette auf glänzend schwarzem Grund an den vorderen Kotflügeln. Schwarz sind zudem die Außenspiegelkappen, die Dachreling, die Fensterleisten und der Heckspoiler; tiefrot indes ist der hinten unten über die gesamte Breite sitzende Reflektorstreifen. Es ist oft die Summe der Kleinigkeiten, die ihre Wirkung im Ganzen nicht verfehlt. Wer möchte, kann sich Felgen bis zur mächtigen 21-Zoll-Größe aufziehen lassen, was beim ansonsten zurückhaltend gezeichneten Kompaktwagen schon Eindruck macht.
Gestochen scharfes Cockpit. Manchmal ist die Innenraum-Gestaltung ein Buch mit sieben Siegeln. Im Falle des Enyaq RS versteckt es sich hinter den Ausstattungen Lounge und Suite – eines soll schöner sein als das andere. Wir sehen in erster Linie schwarz im einen und grau im anderen Fall – zweifellos mit edlen Leder-Kunstleder-Carbon-Materialien und den farblich etwas hervorgehobenen Doppelnähten. Komfortabel untergebracht fühlt man sich auf allen Plätzen – die beiden vorderen Sportsitze lassen sowieso keine Wünsche für Freunde der flotteren Gangart offen. Der Kofferraum zeugt mit 585 Litern unter der Abdeckung bis maximal 1,7 Kubikmeter dachhoch bei umgeklappten Lehnen vom Skoda-typischen üppigen Raumangebot.
Das Infotainment-System kommt gewohnt klar gestochen daher – mittels 5,3-Zoll-Display vor dem Lenkrad, 13-Zoll-Bildschirm in der Armaturentafelmitte und einem blickgünstigen Head-up-Display direkt Richtung Windschutzscheibe. Wie es sich für neuzeitliche Spielereien gehört, wabert die so genannte Augmented-Reality-Technologie auch durch die tschechische Konzernmarke. Das heißt, bei dieser angereicherten Realität spiegelt das Navi aufs Head-up-Display bewegte Piktogramme, sodass beispielsweise beim Abbiegen richtungweisende Pfeile drängend auf den Menschen am Steuer zukommen. Wer’s braucht, wird damit sicher selig.
Allradler braust in vollem Saft. Der Enyaq RS spurtet, wie sollte es sinnvollerweise anders sein, als Allradler daher: Zwei Elektromotoren teilen sich vorne und hinten die Kraftverteilung der zusammengenommen 340 PS/250 kW. Zudem legt ein Sportfahrwerk den tendenziell straff gefederten Enyaq an der Vorderachse um 15 Millimeter und an der Hinterachse um zehn Millimeter tiefer. Solcherart ausgerüstet braust es sich mit einem höchsten Drehmoment von saftigen 545 Newtonmetern denkbar flink durchs Gäu. Natürlich legt kaum jemand den Spurt von Null auf 100 in den machbaren 5,4 Sekunden aufs Asphalt-Parkett. Wenn man es denn täte, würde tatsächlich das Elektromobil-typische massive Leergewicht von fast 2,4 Tonnen wahrgenommen werden. Im normalen Fahrbetrieb verzichtet man aber eher auf den Wumms-Effekt und fühlt sich jederzeit mehr als geschmeidig motorisiert mit ordentlich Kraftreserven für jegliches „Ich kann, wenn ich will!“. Zwar liegt der Fokus bei leistungsstarken Modellen vornehmlich im Beschleunigen und Muskeln Zeigen, aber den wahren Charakter offenbaren jene Sportler gnadenlos bei Bremsmanövern – und wir reden hier nicht von Vollbremsungen. In dieser Disziplin handelt sich der RS jedenfalls ein paar Minuspunkte ein, und dies sollte man bei entsprechenden Manövern wohlweislich im Hinterkopf behalten. Denn er reagiert hier ein wenig schwammig, also schwer einzuschätzen beim Fußdruck während starkem Bremsen.
Fein hingegen lässt sich das Ansprechverhalten von der Lenkung bis zum Fahrwerk mittels Fahrmodus-Programmen dosieren. Hier liegt für Freunde des RS-Vergnügens des Pudels Kern – auch wenn in vielen Situationen sicher die Comfort-Einstellung statt der deutlich bissigeren Sport-Funktion gewählt wird, und sei es nur, um die Nerven der Mitfahrenden zu schonen. Nach einer ersten Testrunde im gemischten Stadt-Land-Autobahn-Verkehr notierten wir laut Bordcomputer einen Verbrauch von 18,5 kWh – damit lagen wir individuell akzeptabel über dem ausgewiesenen WLTP- Normverbrauch von 16,6 kWh.
Auf der Höhe der Zeit. Auch wenn keine weltrekordverdächtigen Werte zu vermelden sind: Die Ingenieure haben an der konzerneigenen Akkutechnologie gefeilt und sind definitiv auf der Höhe der Zivilisations-Zeit an der Ladesäule. Mit anderen Worten: Von zehn auf 80 Prozent geht’s mit der 79-kWh-Batterie an der Schnellladesäule binnen 26 Minuten – bei einer höchsten Ladefähigkeit von 185 kW. Preislich wurde sicher mit spitzem Bleistift kalkuliert, trotzdem oder gerade deshalb dürfte es niemanden verwundern, dass der Enyaq RS mit satten 58.600 Euro und sein RS-Bruder im Coupé-Anzug mit 60.850 Euro zu Buche schlägt.
Unser Gesamteindruck: Mancher Passant dürfte erstaunt sein, was für ein Wolf im Schafspelz sich hinterm ansonsten mehrheitlich als brav dekorierten Skoda versteckt. Denn es handelt sich beim Enyaq RS keinesfalls um ein andernorts als Knalltüte konzipiertes Automobil. Wobei: Zwei künstliche externe Sounds und die wählbare Lackierung in Mamba-Grün weisen den Enyaq zumindest als eine Art giftig auftretenden Popeye aus.
Autogramm
Skoda Enyaq RS
Typ: Elektro-SUV; Preis: 58.600 Euro; Länge: 4,66 Meter; Breite: 1,88 Meter; Höhe: 1,62 Meter; Radstand: 2,77 Meter; Leergewicht: 2377 Kilogramm; Zuladung: 373 Kilogramm; Kofferraum: 585-1710 Liter; Sitze: fünf; Motor: Elektromotor, Permanentmagneterregte Synchronmaschine; Leistung: 340PS/250 kW; Drehmoment: 545 Newtonmeter;Spitze: 180 km/h; 0 auf 100 km/h: 5,4 Sekunden; Batterietyp: Lithium-Ionen-Akku; Batteriekapazität: 79 Kilowattstunden netto (kWh); Reichweite (WLTP): 550 Kilometer; Wallbox Wechselstrom 11 kW: 8 Stunden 30 Minuten (100 Prozent)Schnellladestation Gleichstrom: 26 Minuten (80 Prozent), Stromverbrauch: 16,6 kWh/100 Kilometer; CO2-Ausstoß: 49 Gramm/Kilometer (Strommix Deutschland).
