


Wettbewerb der Batterien: Ein Selbstversuch
Die batterieelektrischen Premium-Modelle des chinesischen Herstellers Xpeng sind seit einem Jahr auf dem hiesigen Markt und werden nun modellgepflegt. Abgesehen von ein paar Stricheleien möchte das SUV-Coupé G6 und das klassisch gezeichnete SUV G9 vor allem durch veränderte Akku-Packs mittels LFP-Batterietechnologie Eindruck machen – auf der Habenseite mit längerer Lebensdauer und schnelleren Ladezeiten.
Von Gundel Jacobi
Dem Zielkonflikt auf der Spur. Zwei wesentliche Merkmale werden von Elektro-Autofahrern landauf und landab unermüdlich diskutiert: Ladezeiten und Reichweiten. Wie bei allen Herstellern versucht man auch bei Xpeng, das eine zu verkürzen und das andere zu verlängern. Dabei gibt es gewisse Zielkonflikte, die das noch relativ junge chinesische Unternehmen möglichst klein zu halten versucht. Allerdings lässt sich dessen Entscheidung gegen die NMC-Batterietechnologie (Nickel-Mangan-Kobalt) mit Hinwendung zu LFP-Akkus (Lithium-Eisenphosphat) nicht ganz umgehen. Um zu verstehen, worum es dabei geht, muss man einen genaueren Blick auf die Licht- und Schattenseiten dieser beiden Batteriearten werfen. Kurz gesagt ist die NMC-Technologie etwa wegen Kinderarbeit beim Abbau von Kobalt und Nickel in den Herkunftsländern in Verruf geraten, obendrein sind beide Metalle teuer. Klarer NMC-Vorteil liegt in der hohen Energiedichte, was sich insbesondere bei leistungsstarken E-Fahrzeugen vorteilhaft auswirkt. Demgegenüber punktet die LFP-Fraktion durch mehr Nachhaltigkeit, deutlich günstigere Kosten und eine höhere Ladegeschwindigkeit. Zudem zersetzt sie sich nicht so leicht, was eine längere Lebensdauer bis zu 30 Prozent ermöglicht. Bis dahin sind das alles gute Nachrichten für die LFP-Fraktion. Aber auch bei ihr gibt es deutliche Einschränkungen. Denn ihre Energiedichte ist weitaus geringer, wodurch man größere Batterien braucht, um die gleiche Reichweite wie bei NMC-Akkus zu erzielen. Dies ist nur teilweise durch fortschreitende Batterietechnologie auszugleichen. Auf den Punkt gebracht: Man braucht mehr Bauraum, was die Ingenieure ungern umsetzen.
Beide nicht von schlechten Eltern. Fakt ist, dass im leistungsstarken G6 – übrigens gilt dies auch für den größeren G9-Bruder – mit 800-Volt-Spannung ab sofort LFP-Batterien stecken, die wie erwähnt zwar über eine leicht geringere Speicherkapazität, aber gleichzeitig über eine bessere Ladegeschwindigkeit verfügen. Konkret heißt dies beim Xpeng G6, den wir in der stärksten 486 PS/358 kW-Allradversion fuhren: Er hat eine Schnellladefähigkeit von 451 kW und weist somit von 10 – 80 Prozent zwölf Minuten mit seiner 80,8 kWh-Batterie aus, was ungefähr 450 Kilometer Reichweite entspricht. Dies kann man in der derzeitigen Lade-Welt durchaus als rasend schnell bezeichnen. Selbstverständlich dockten wir zu Testzwecken bei einem Stand von 55 Prozent Reichweite an einem Schnelllader an. Selbiger besaß eine maximale Ladefähigkeit von 350 kW. Wir hatten in zehn Minuten auf 90 Prozent geladen – bei einer höchsten kurzzeitigen Lademenge von 229 kW; neben uns waren noch mehrere andere Autos eingestöpselt, was bekanntlich das Ladetempo etwas drosselt.
Spannend fanden wir im Vergleich dazu unsere Testfahrt am nächsten Tag mit einem 575 PS/423 kW leistenden G9 mit 93,1 kWh-Akku, den wir ebenfalls mit 55 Prozent anhängten – gleiche Situation am 350-kW-Schnelllader mit einigen anderen Autos an der Säule. Er bunkerte auf 90 Prozent in sieben Minuten – mit einer kurzzeitig höchsten Ladeleistung von 275 kW. Salopp gesagt: Das ist auch nicht von schlechten Eltern! Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass die theoretische Reichweite des bisherigen G6-Modells mit NMC-Batterie bei 550 Kilometer lag, die neue LFP-Ausführung wird mit 510 Kilometer angegeben. Beim G9-Modell hat sich die Reichweite von 520 auf 540 Kilometer erhöht, weil – und jetzt wird es wirklich kompliziert – der Hersteller beim ebenfalls erneuerten Modell einen geringeren Verbrauch verwirklichen kann.
Hohes Ladetempo und ordentliche Reichweiten. Was lässt sich aus diesem Zahlensalat herauslesen? Xpeng ist mit seinen G6- und G9-Modellen ganz vorne mit dabei, was die Ladegeschwindigkeit betrifft, und verkürzt somit den immer noch klar vorhandenen zeitlichen Tank-Abstand zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Allerdings sind die Reichweiten um gut 500 Kilometer zwar ganz ordentlich, aber keinesfalls herausragend. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass bei Autobahntempo 120 der Verbrauch eines E-Autos generell zirka 30 Prozent über dem WLTP-Wert liegt. Hier verbergen sich echte Reichweiten-Einschränkungen.
Die Tatsache, dass sich die LFP-Batterietechnologie im Moment als nachhaltiger und kostengünstiger erweist, könnte ein Indiz dafür sein, dass G6 und G9 zum jeweils gleichen Basispreis wie für die vorigen Versionen angeboten werden. Die Modellpflege umfasst beim G6 zudem Feinheiten wie leicht veränderte Leuchten, ein anders platziertes Markenzeichen sowie einen Heckspoiler. Im Inneren sind es vor allem die üblichen neuen Materialien und Farben samt Ambientebeleuchtung sowie einen auf 15,6 Zoll gewachsenen Bildschirm und eine digitale Innenspiegelkamera. Das G9-SUV bekam einen neuen Kühlergrill, integriertes 3D-Radar und serienmäßig 20-Zoll-Reifen.
Xpeng nimmt Fahrt auf. Der G6 RWD Long Range steht ab 47.600 Euro und der G9 RWD Standard Range ab 59.600 Euro beim Händler. Apropos Händler: Das klassische Vertriebskonzept sieht vor, dass die im letzten Jahr bundesweit vorhandenen 20 Standorte heuer auf 60 erhöht werden und im nächsten Jahr mit 120 Händlern eine solide Flächenabdeckung erreicht werden könnte. Erwähnenswert ist auch, dass die hauseigene Sieben-Jahres-Garantie eine gewisse Vertrauensbasis schaffen dürfte. Deutet man die Zeichen optimistisch, lässt sich feststellen, dass der weithin noch recht unbekannte chinesische Hersteller mit dem einprägsamen Namen langsam Fahrt aufnimmt. Spannend bleibt, ob der vergleichsweise junge Autobauer Xpeng auf Dauer bei uns Fuß fassen kann.

(Foto: gj)

