


Die Tage der dicken Tropfen
Auf Walter Röhrls Opel Commodore von 1973 am Start zur 10. Baiersbronn Classic
Von Bernd-Wilfried Kießler
Zwei Jubiläen unterschiedlicher Dauer wurden kürzlich gefeiert: Opel brachte zur Feier von 125 Jahre Automobilbau in Rüsselsheim ein Fahrzeug zur 10. Baiersbronn Classic an den Start, das selbst einen Meilenstein darstellt: Auf einem Opel Commodore Coupé GS/E ging Walter Röhrl 1973 bei der Rallye Monte Carlo an den Start. Das Auto wurde betreut vom Tuner Günther Irmscher aus Remshalden. Diese erstmalige Teilnahme an einem Weltmeisterschaftslauf war der Beginn der einmaligen Karriere von Walter Röhrl, der außer auf Opel auch auf Fiat, Lancia und Audi Siege errang – mehrheitlich mit seinem Beifahrer Christan Geistdörfer.
Im Commodore Coupé GS/E von 1973 – so bezeugt es ein Aufkleber – saß neben ihm Jochen Berger, der ihn mit einer kleinen roten Leselampe fürs Roadbook durch die Nacht der langen Messer in den Seealpen oberhalb von Monte Carlo lotste. Die war bei der diesjährigen dreitägigen Baiersbronn Classic nicht vonnöten, wohl aber regenfeste und warme Kleidung für alle, die sich in offenen Vorkriegswagen auf die Strecke wagten. Diese Altersklasse ist eine Spezialität dieser Rallye – in diesem Jahr waren es 24 Fahrzeuge von insgesamt 130, die den Kampf um Hundertstelsekunden innerhalb der Wertungsprüfungen aufnahmen.
Bekanntlich geht es bei Klassik-Veranstaltungen nicht im Höchstgeschwindigkeit, sondern um Genauigkeit. Im Opel saßen wir weitgehend warm und trocken, von ein paar Einzeltropfen an den Dichtungen der rahmenlosen Fenster abgesehen. Andere mussten schweren Schauern trotzen und auf der dritten Etappe auf dem Schliffkopf in über 1000 Meter Höhe Temperaturen von nur drei Grad Celsius.
Der Reihensechszylinder mit 180 PS, die Irmscher unter anderem mit Doppelvergasern aus 2,8 Litern Hubraum herausgekitzelt hatte, schnurrte brav seiner Wege – oft schmale, kurvenreiche Schwarzwaldsträßchen. Die präzise Lenkung nach immerhin 52 Jahren war sicher auch den Monteuren der Opel-Klassikwerkstatt zu verdanken. Ein Überrollkäfig, sichere Bremsen, Recaro-Schalensitze mit spürbarem Seitenhalt und Hosenträgergurten vermittelten auch ohne zeitgemäße Einrichtungen wie Airbags unterwegs ein Gefühl wie im sprichwörtlichen Schoß Abrahams.
Von der Lärmentwicklung und dem Verbrauch – jedenfalls zweistellig – wollen wir hier nicht reden, schließlich waren wir in einer Rennmaschine unterwegs, zum Zwecke der Gewichtsersparnis ohne Rückbank und mit gelochten Aluminiumpedalen. Aber unbedingt erwähnt werden muss die Reaktion der Zuschauer am Straßenrand bei jedem Halt: „Mein Traumwagen!“ – „Das Auto in der schönsten Lackierung, die ich je hatte!“ – „Mein Onkel fuhr einen und versägte damit jeden Capri.“