Abgeholt und wieder gebracht

Alltagstest: Mit dem Genesis G90 bietet die koreanische Edelmarke eine Staatskarosse an, die in Deutschland so exklusiv wie kaum eine andere ist.

Von Bernd-Wilfried Kießler

Genesis heißt die Luxusmarke eines koreanischen Automobilkonzerns, zu dem auch Hyundai und Kia gehören. Im Allgemeinen unterbietet man die namhafte deutsche Konkurrenz im Preis deutlich, beim G90 wird allerdings kräftig mitgehalten und die 100.000-er Grenze übersprungen. Allerdings ist im Genesis alles drin, was bei den hiesigen Platzhirschen Aufpreis kostet, so dass er unterm Strich eine namhafte fünfstellige Summe billiger ist als jene. Aber bei der Kundschaft in diesen Preishöhen spielt Geld offenbar nicht die entscheidende Rolle, so dass der G90 ein wirklich selten gesehenes Fahrzeug auf unseren Straßen ist.

Was ist das für ein Auto? Es handelt sich um eine 5,28 Meter lange Luxuslimousine – es existiert auch eine Langfassung, 19 Zentimeter länger und 14. 000 Euro teurer. Man sieht ihr wie allen Genesis-Autos an: Designer Luc Donckerwolke, der vor einem knappen Jahrzehnt die Linien der Karosserien aufs Gleis bzw. auf den Asphalt setzte, hatte zuvor bei Bentley gearbeitet. Ob Markenzeichen, auffälliger Gittergrill und auch die gesamte Silhouette – das wirkt britisch. Als Wiedererkennungszeichen sind die Leuchtgruppen vorn und hinten als Doppelstreifen ausgebildet – solche Elemente rücken den G90 in die Gegenwart. Die Tatsache, dass sich während der beiden Testwochen überwiegend junge Männer die Hälse nach dem Wagen verdrehten, bestätigen diesen Eindruck, wobei die vermögende Zielgruppe wohl eher in reiferen Jahrgängen zu suchen ist.

Wie fühlt man sich in diesem Auto? Es handelt sich – auch in der kürzeren Ausführung unseres Testwagens – offenbar um einen Chauffeurswagen. Der oder die den Ton angibt, soll rechts hinten sitzen. Denn von hier kann der Beifahrersitz für den Assistenten oder Leibwächter bewegt werden, sogar die Lehnenneigung gesteuert. Die hinteren Kopfstützen sind von Kissen bedeckt, um das Hinterhaupt nur sanft zu berühren oder einen Schlummer zu ermöglichen, wenn das Programm auf den beide Bildschirmen zu öd ist. Der Fond mit eingefärbten Scheiben kann durch Jalousien weiter abgedunkelt werden, Rückenmassagen lassen sich auf allen vier Plätzen verabreichen.

Um alle Funktionen zu kennen und zu nutzen, muss man sich reichlich Zeit nehmen. Vieles ist im Menü am Bildschirm versteckt, andere Funktionen sind auf unglücklich gefärbten Tasten mehr zu erraten: Hellblau auf Silber bildet nun mal keinen Kontrast und ist bei manchem Lichteinfall nicht zu erkennen. Innere Türgriffe sucht man vergebens – da wollte einer alles anders machen: Die Türen öffnen sich auf Knopfdruck. Außen springen die Griffe bei Annäherung mit dem Schlüssel automatisch oder auf Fingertippen aus dem Blech. Wir mögen sie nicht besonders, da sie einem Angst einjagen, man könnte sich beim Schließen einklemmen. Getestet haben wir das aus Sicherheitsgründen nicht.    

Was für einen Antrieb hat das Auto? Erstaunlich, aber erklärbar: Das große Auto lässt sich geschmeidig bewegen. Vor dem Leergewicht von fast 2,4 Tonnen schrecken die 380 Pferdestärken des 3,4-Liter-V6 nicht zurück, Allradantrieb bringt die Leistung und 530 Newtonmeter Drehmoment über die großen 20-Zoll-Räder problemlos auf die Straße, wobei die Fahrwerkabstimmung den G90 nicht zum schwebenden Teppich macht: Ein gewisser Kontakt zur Fahrbahn bleibt spürbar. Die Allradlenkung ermöglicht flottere Kurvengeschwindigkeiten und erleichtert mit gegenläufig eingeschlagenen Rädern das Rangieren. Bei kühlem Wetter erreichten wir mit bürgerlicher Fahrweise im Durchschnitt exakt den WLTP-Normwert von 10,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Während wir gemütlich über Landstraßen rollten, zeigte die Verbrauchsanzeige zeitweise einen Wert von weniger als neun Litern an, der sich aber nicht halten ließ, sobald wir auf die Autobahn einbogen.

Was bietet dieses Auto? Das Auffälligste ist ein Abhol- und Bringdienst, wenn das Auto in die Werkstatt muss. Die Garantie liegt mit fünf Jahren über dem Üblichen. Von Anfang an steht dem Genesis-Fahrer ein persönlicher Assistent via digitaler Kommunikation zur Seite – alles im Preis inbegriffen.

Autogramm

Genesis G90 3.5 T 4WD
Typ: Luxuslimousine;  Preis: 111.000 Euro; Länge: 5,28 Meter; Breite: 1,93 Meter; Höhe: 1,49 Meter; Radstand: 3,18 Meter; Leergewicht: 2360 Kilogramm; Zuladung: 380 Kilogramm; Tankinhalt: 73 Liter; Kofferraum: 368 Liter; Sitze: vier; Motor: Otto-V6; Hubraum: 3470 Kubikzentimeter; Leistung: 380 PS/279 kW bei 5800 U/min; Drehmoment: 530 Newtonmeter bei 1300-4500 U/min; Getriebe: Achtstufen-Automatik; Spitze: 250 km/h; 0 auf 100 km/h: 5,9 Sekunden; Normverbrauch/WLTP: 10,5 Liter Benzin pro 100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 237 Gramm/km, Testverbrauch: 10,5 Liter.


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