


Der surrende Stadtfloh
Der Leapmotor T03, ein viersitziger vollelektrischer Kleinstwagen, hat eine interessante Herkunft. Denn unser Testwagen war halber Europäer.
Von Bernd-Wilfried Kießler
Was ist das für ein Auto? So ähnlich wie der Leapmotor T03 hatte es vor mittlerweile 16 Jahren mit den Elektroautos bei uns begonnen – in Form des i-Miev von Mitsubishi samt der baugleichen Ausführungen Citroen C-Zero und Peugeot Ion (mit beiden Marken arbeiteten die Japaner damals zusammen): kleine leichte Viersitzer. Dem Trio standen damals der hohe Preis und die geringe Reichweite im Wege. Was danach bis heute folgte, waren und sind Schwergewichte, die zwar ein paar hundert Kilometer mit einer Ladung fahren, aber schon leer meist über zwei Tonnen wiegen und wegen ihrer hohen Preise Normalverdiener verschreckt zurückzucken lassen. Der Leapmotor T03 könnte dies gemeinsam mit seinem derzeit einzigen Konkurrenten, dem Spring von Dacia, vielleicht ändern. Denn beide kosten weniger als 20.000 Euro. Wirklich fernreisetauglich sind sie allerdings nicht, was für manche Nutzung auch gar nicht vonnöten ist.
Der 3,62 Meter lange T03 ist zumindest ein halber Europäer: Er wird mit angelieferten Teilen aus China im polnischen Stellantis-Werk Tychy montiert, wo seit Jahrzehnten Fiats vom Band liefen. Das war ein Bubenstück des Ende vergangenen Jahres ausgeschiedenen Stellantis-Konzernchefs Carlos Tavares, um die Einfuhrzölle für chinesische E-Autos elegant zu umkurven. Zu diesem Zweck erwarb Stellantis eine Beteiligung an Leapmotor und hält sogar die Mehrheit an der weltweiten Vertriebsorganisation außerhalb Chinas. Das öffnet der Marke ein weltumspannendes Händlernetz und löst ein Problem, das alle anderen chinesischen Marken nicht nur in Deutschland haben. Derzeit ruht die T03-Fertigung in Tychy – inwieweit dies angesichts des aktuellen weltwirtschaftlichen Wirrwarrs von Dauer ist, werden wir sehen. Leapmotor-Pressesprecher Nico Schmidt versicherte uns auf Anfrage, das kleine E-Auto sei zu stabilen Preisen weiterhin aus China lieferfähig.
Wie fühlt man sich in diesem Auto? 1,58 Meter Außenhöhe ermöglicht einen Einstieg ohne Demutshaltung. Während äußerlich Erinnerungen an Kleinwagen von Fiat und Smart wachwerden, herrscht im Inneren anthrazite Farblosigkeit. Immerhin: Durch ein serienmäßiges großes Glasdach lässt sich die Stimmung etwas aufhellen. Drückt man auf einen Knopf oberhalb der Windschutzscheibe, setzt sich nur der Sonnenschutz nach hinten in Bewegung – das Glas ist fest. Schön wäre es, wenn das Glas der beiden Bildschirme an der Armaturentafel entspiegelt wäre. So aber muss man die Anzeigen bei manchem Lichteinfall mehr enträtseln, als dass sie ablesbar wären. Die vier Sitze vorn und hinten sind mit strapazierfähigem Stoff bezogen und wirken ausgeformt. Aber der scheinbare Seitenhalt täuscht – man fühlt sich eher haltlos. Zwei Pluspunkte gibt’s oben und unten: Die Kopffreiheit auf allen Plätzen ist untadelig, und vorn haben die Konstrukteure endlich mal einen freien Durchstieg ohne Mitteltunnel zustande gebracht.
Welchen Antrieb hat das Auto? Der Elektromotor leistet bemerkenswerte 95 PS/70 kW und nimmt das in Deutschland auf den St. Nimmerleinstag verschobene Tempolimit von 130 km/h vorweg – zum Wohle der Reichweite: Wer mehr als 200 Kilometer mit einer Ladung kommen möchte, sollte sein Fahrpedal nicht allzu fest drücken, um mit den 37,3 Kilowattstunden des Akkus hauszuhalten. Wir protokollieren hier einen Ladevorgang bei 16 Grad Celsius: von 50 auf 100 Prozent binnen 45 Minuten. In dieser Zeit wurden am Schnelllader 18,5 kWh zum Preis von 14,62 Euro gebunkert und uns am Ende eine Reichweite von 257 Kilometer vorhergesagt. Daraus ergeben sich Stromkosten von 11,37 Euro auf 100 Kilometer, was bei einem Benzinpreis von 1,70 pro Liter einem Verbrauch von 6,7 Liter Super entspricht. An einer normalen Ladesäule dauerte es dreieinhalb Stunden, um von 50 auf 100 Prozent zu kommen. Dafür kostete uns diese Ladung von 21,1 kWh nur 13,48 Euro und wurde eine Reichweite von 272 Kilometer prophezeit. Womöglich berücksichtigte der Computer bei seiner Schätzung unseren wirtschaftlichen Fahrstil, der zu einem Testverbrauch von 13,8 kWh auf 100 Kilometer führte.
Was bietet dieses Auto? Außer vier vollwertigen Sitzen 210 Liter Kofferraum, der über eine 74 Zentimeter hohe Kante beladen wird; innen geht’s 26 Zentimeter abwärts. Die ungeteilte hintere Rückenlehne lässt sich vom Heck aus mit einem Griff nach vorn umlegen, wobei weder ein stufenloser, geschweige denn ein ebener verlängerter Ladeboden entsteht. An dieser Stelle ein bisschen mehr Hirnschmalz zu investieren, dürfte keine Kostenfrage sein. An vielem anderen wird keineswegs gespart: Es gibt Leichtmetallfelgen, Zentralverriegelung auf Schlüsselknopfdruck, Klimaautomatik, LED-Scheinwerfer, Navigationssystem, Rückfahrkamera und als Fahr- und Sicherheitshilfen adaptiven Geschwindigkeitsregler, Spurhalteassistent, Notbremssystem, Totwinkel- und Müdigkeitswarner. Eine Besonderheit wollen wir nicht unerwähnt lassen: Bis Tempo 30 ertönt ein surrendes Geräusch, wie man es von elektrischen Schienenfahrzeugen kennt. Außen ist das zur Warnung für Fußgänger durchaus sinnvoll, innen sind die Frequenzänderungen gewöhnungsbedürftig. Offenbar sollen sie den Menschen am Steuer darauf hinweisen, dass er sich in einer Tempo-30-Zone bewegt. Bei 31 km/h verstummt das Geräusch und fährt der Leapmotor T03 so leise wie alle anderen Elektroautos auch. Erfreulich: Das Fahrwerk, das bei Kleinwagen mit kurzem Radstand oft zum Hoppeln neigt, federt Unebenheiten aller Art erstaunlich sanft, aber keineswegs schwammig ab. Die es abgestimmt haben, verstanden ihr Handwerk.
Autogramm
Leapmotor T03
Typ: Kleinstwagen; Preis: 18.900 Euro; Länge: 3,62 Meter; Breite: 1,65 Meter; Höhe: 1,58 Meter; Radstand: 2,40 Meter; Leergewicht: 1250 Kilogramm; Zuladung: 225 Kilogramm; Sitze: vier; Kofferraum: 210/880 Liter; Motor: Permanenterregte E-Synchronmaschine; Leistung: 95PS/70 kW; Drehmoment: 158 Newtonmeter; Spitze: 130 km/h; 0 auf 100 km/h: 12,7 Sekunden; Batterietyp: Lithium-Ionen-Akku; Batteriekapazität: 37,3 Kilowattstunden (kWh); Maximale Ladeleistung: 45 kW; Reichweite (WLTP): 265 Kilometer; Stromverbrauch (WLTP): 16,3 kWh/100 Kilometer, entsprechender CO2-Ausstoß (deutscher Strommix 2024: 280 Gramm/kWh): 45,6 Gramm/Kilometer, Testverbrauch: 13,8 kWh.



