Die Scheune der heißen Öfen

Im südelsässischen Dorf Bantzenheim versteckt sich ein liebevoll zusammengetragenes und präsentiertes Motorradmuseum. 

Von Bernd-Wilfried Kießler

Das Gebäude, von dem hier die Rede ist, hat einige Namen: ganz sachlich Musée de la Moto („Motoradmuseum“), etwas malerischer La Grange à Bécanes („Die Scheune der heißen Öfen“) oder auch Collection Lemoine („Sammlung Lemoine“). Letzteres nennt den Namen des Mannes, dem diese Darstellung der goldenen Zeiten des Motorrades zwischen 1920 und 1960 zu verdanken ist: Raymond Lemoine, heute 94 Jahre alt und noch immer gelegentlich auf seiner Beiwagenmaschine unterwegs, hat seinen Lebensunterhalt als Schlosser und Mechaniker verdient – kein Fabrikant, der ein teures Steckenpferd ritt, sondern der typische Schrauber. Seine besondere Liebe galt der Motorradmarke Ravat, die zwischen 1921 und 1958 in St. Etienne ansässig war, ehe sie das Schicksal vieler europäischer Mitbewerber teilte: Der Siegeszug des Automobils trieb viele Zweiradhersteller in die Pleite. Nach 1960 erlebte das Motorrad eine Wiedergeburt – vom Fortbewegungsmittel für Ärmere zum Freizeitgerät für Wohlhabende. Aber das ist eine andere Geschichte.

Raymond Lemoine trug zwanzig Jahre lang Motorräder zusammen und vermachte an die neunzig von ihnen seiner Heimatgemeinde Bantzenheim – mit der Maßgabe, dass die Sammlung als Ganzes erhalten bleiben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Tatsächlich wurde im April 2013 die Ausstellung in einem umgebauten Scheunengebäude eröffnet. Der Rundgang beginnt mit einem Exemplar des ersten Ravat-Motorrads, bei dem die Kräfte noch mit einem Keilriemen auf das Hinterrad übertragen wurden. Der Kern dieser Marke wird ergänzt durch Motorräder vieler Hersteller, namentlich aus Frankreich, die längst im Dunkel der Geschichte verschwunden sind.

Unverkennbar steht da auch eine BMW mit Boxermotor. Über die beeindruckende Ansammlung hinaus wird zudem die Geschichte des Zweirads erzählt – vom Laufrad des Freiherrn von Drais über das gefährliche Hochrad, Fahrräder mit Hilfsmotor, darunter ein Tandem, und natürlich mehrere Entwicklungsstufen des legendären Vélosolex. Parallel zu den klassischen Motorrädern entwickelten sich nach dem 2. Weltkrieg Roller, Mopeds und Kleinkrafträder – in Bantzenheim sind sie mehr oder weniger wehmütig zu bestaunen. Wer mag, kann sich in einer Nische mit passendem Hintergrund in den Sattel schwingen und mit historischem Helm ein Erinnerungsfoto machen; Kinder dürfen in einen Beiwagen klettern. Echtes Motorengeknatter gibt’s freilich nicht: Die Feuerwehr hat Benzin in dem mit viel Holz errichteten Gebäude ausdrücklich verboten.

Info: Das Museum ist vom Frühjahr bis in den Herbst hinein täglich außer montags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Ein paar Schritte weiter bietet sich das Hotel de la Poste, ein typischer ländlicher Gasthof, zur Übernachtung und Beköstigung an.

Museum: https://www.visit.alsace/de/234007591-motorradmuseum/

Unterkunft: https://hotelrestaurantdelaposte.fr/


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