


Seine E-Reichweite ist vorbildlich
Manche Autos brauchen etwas mehr Zuwendung, um sie vorzustellen, weil sie hierzulande noch ziemlich unbekannt sind. So verhält es sich auch mit dem Wey 03 von Great Wall Motors (GWM). Der chinesische Hersteller gilt als achtgrößter Autobauer seines Heimatlandes. Innerhalb der Submarke Wey vertreibt er in Europa aktuell den 4,87 Meter langen Wey 05 sowie den kleineren Bruder Wey 03, den wir zwei Wochen lang gründlich auf Herz und Nieren geprüft haben.
Von Gundel Jacobi
Was ist das für ein Auto? Man sieht es auf den ersten Blick: Der Wey 03 gehört ins beliebte Kompakt-SUV-Segment, auch wenn er mit einer Gesamtlänge von 4,67 Meter die Nase deutlich in Richtung von dessen oberer Grenze streckt. Auffällig sind neben dem hochbauenden Vorderwagen mit Wabengrill die großen 20-Zoll-Reifen, die für seinen spürbaren Abrollkomfort verantwortlich sind. Alle weiteren äußeren Zutaten sind recht unauffällig – man achtete beim Karosseriekleid offenbar mehr auf glattgebügelte Beliebigkeit als auf einen eigenständigen Wiedererkennungswert. Das muss nichts Schlechtes sein, denn es gibt viele Menschen, die sich mit ihrem Wagen lieber in die Masse einfügen, als für Aufmerksamkeit zu sorgen. Am ehesten fiel bei unserem Testwagen die Lackierung in Hellblau auf, die man normalerweise vor allem bei Kleinwagen sieht. Aber: Warum nicht?
Wie fühlt man sich in dem Auto? Für Passagiere gibt es viel Platz, der Kofferraum fällt mit 517 Liter nicht riesig, aber reichlich aus. Auf die fein gesteppten Alcantara-Bezüge haben wir uns gerne niedergelassen – allerdings kam uns die Sitzpolsterung auf längeren Strecken einen Tick zu weich vor. Der berührungsempfindliche Bildschirm auf der Armaturentafel lässt größenmäßig nichts zu wünschen übrig – auch ein zweiter Monitor weiter unten zur Klimaregulierung ist an sich kein Fehler. Allerdings sollte man diesen im Stand vor der Fahrt passend einstellen. Denn erstens würde die Blickrichtung unterwegs zu stark ablenken, und zweitens sind die Symbole viel zu schwach unterlegt: Man erkennt sie kaum. Der Hauptbildschirm hat zuweilen gewisse Ladehemmungen, reagiert nicht zuverlässig rasch. Obendrein ist die Menüführung streckenweise zu kompliziert. Weicht man auf die Sprachführung aus, gibt’s leider viele Befehle, die nicht bekannt sind und nicht beantwortet werden. Hier müssen die Software-Spezialisten unbedingt nachlegen. Auch das Navi wird deshalb besser von Hand eingestellt. Was uns am meisten genervt hat: Bei nachweislich beiden Händen am Lenkrad, keiner Berührung der seitlichen Spurlinien und den Augen geradeaus erklang immer wieder eine mahnende Stimme: „Seien Sie nicht geistesabwesend! Konzentrieren Sie sich auf die Fahrt.“ Manchmal kam es uns vor, als würde es ein Zufallsgenerator gebetsmühlenartig wiederholen.
Welchen Antrieb hat das Auto? Das Wey 03-SUV ist als Plug-in-Hybrid (PHEV) ausgelegt, wird also von einem Benzinmotor und – in unserem Fall in der Allradversion – von je einem Elektromotor an Vorder- und Hinterachse gespeist. Idealerweise sind Kraftstofftank und Stromakku gefüllt – die theoretischen Werte zu Reichweite und Verbrauch stehen im Autogramm unten. Kommen wir zu unseren Erfahrungen: Wir konnten mit der 28,9 kWh bunkernden sowie immer wieder Brems- und Schubenergie aufnehmenden Batterie rund 120 Kilometer rein elektrisch fahren, danach schaltete das System automatisch auf Hybrid um, also sprang zusätzlich der Ottomotor an. Dabei wies die Stromreichweite noch gut 20 Kilometer aus. Vermutlich errechnet das System zu diesem Zeitpunkt ein sinnvolles Hinzunehmen des Verbrenners und verrichtet seine Arbeit in Kombination. Die gut 120 Kilometer sind für einen PHEV eine außergewöhnlich lange flüsterleise Strecke des uneingeschränkten Stromerns. Wenn der Ottomotor anspringt, zeigt der Wey 03, dass er gut gedämmt ist – die Geräuschentwicklung verhält sich zurückhaltend. Fordert man das Neungang-Doppelkupplungsgetriebe nicht mit lasterhaften Sprints heraus, arbeitet es wunderbar ruckfrei. Im Fahrverhalten des Wey 03 spürt man seine chinesische Wurzeln: Wer es also etwas bootsmäßig nachschwingend mag, ist bei ihm an der richtigen Stelle. Reibungslos gelang die Stromladung von Null auf 100 Prozent mit 11 kW in dreieinhalb Stunden. Das ist durchaus angemessen. Unglücklicherweise misslangen drei Versuche des Schnellladens, denn der Wey 03 ist prinzipiell fürs Stromschlürfen am DC-Lader geeignet – was ein weiteres ungewöhnliches Merkmal für einen PHEV darstellt. Ob Bedienungsfehler oder irgendein seltsames Software-Problem – jedenfalls wurde der Ladevorgang dreimal nach 1:08 Minuten abgebrochen. Beim Testverbrauch lagen wir mit 6,7 Liter im hybriden Fahren sehr gut – einschließlich Autobahnstrecken. Wohlgemerkt: Es handelt sich um ein leer 2,3 Tonnen wiegendes Auto.
Unser Fazit ist gespalten. Die Preise des SUV-PHEV beginnen bei 47.900 Euro für den frontgetriebenen Wey 03 – und 367 PS/270 kW Leistung. Für unseren Allradler, den es einzig in der Luxury-Spitzenversion gibt, werden 55.900 Eurofällig. Die Chinesen sparen bekanntermaßen nicht mit Ausstattung, schon gar nicht in der Top-Ausführung. Somit ist die Aufpreisliste denkbar kurz: diverse Farblackierungen, Panoramaglasdach, Sitzkomfortpaket mit elektrisch verstellbaren Lordosenstützen und ausziehbare Oberschenkelauflagen sowie ein Winterpaket unter anderem mit beheizbarem Lenkrad und ebensolchen Rücksitzen. Hinzu kommen fünf Jahre Neuwagengarantie ohne Kilometerbegrenzung. Da kann man insgesamt nicht meckern. Ganz oben ansiedeln muss man die hohe Elektro-Reichweite bei einem PHEV. Da steckt eine Menge Technologiefortschritt dahinter. Genau dieses mag für manchen Interessenten, der zudem viel Leistung bereithalten möchte, ein tolles Plus sein. Den Verbrauch kann man mit entsprechender Fahrweise – ohne zu schleichen – im Zaum halten. Aber: Mit der gesamten Bedienerfreundlichkeit des Infotainments sowie der derzeitigen inhaltlichen Form samt unsäglich nervigem Dauergepiepse der Assistenzsysteme waren wir nicht wirklich zufrieden. Klar ist allerdings auch: Kompromisse muss man überall finden.
Autogramm
GWM Wey 03 AWD Luxury
Typ: SUV; Preis: 55.900 Euro; Länge: 4,67 Meter; Breite: 1,89 Meter; Höhe: 1,73 Meter; Radstand: 2,75 Meter; Leergewicht: 2295 Kilogramm; Zuladung: 375 Kilogramm; Kofferraum: 517/1289 Liter; Sitze: fünf; Tankinhalt: 55 Liter; Motor: Otto-Vierzylinder; Hubraum: 1998 Kubikzentimeter; Leistung: 204 PS/150 kW bei 6000 U/min; Drehmoment: 320 Newtonmeter; Batterie: 28.9 kWh; Elektromotoren: vorn 163 PS/120 kW, hinten 184 PS/135 kW; Drehmoment: 325/232 Newtonmeter; Systemleistung: 442 PS/325 kW; Systemdrehmoment: 685 Newtonmeter; Getriebe: Neungang-Doppelkupplung; Elektrische Reichweite (WLTP): 139 km; Spitze: 230 km/h; 0 auf 100 km/h: 6,8 Sekunden; Normverbrauch bei entladener Batterie: 8,1 Liter Benzin, Testverbrauch: 6,7 Liter.

