In zwei Wochen von Straßburg nach Paris

Ein Museum auf einem alten Lastkahn im elsässischen Offendorf zeigt das einst beschauliche Leben der Binnenschiffer.

Von Bernd-Wilfried Kießler

Heutzutage sind nur noch rund 330 Pénichen auf den französischen Wasserstraßen unterwegs, jene knapp 40 Meter langen und fünf Meter breiten Lastkähne, die bis um das Jahr 1960 einen namhaften Anteil am Transportwesen hielten. Im 19. Jahrhundert wurden die Flüsse und Kanäle unseres westlichen Nachbarlandes für die Binnenschifffahrt ausgebaut. Jahrzehntelang zogen Pferde und Mulis die Kähne, ärmere Schiffer spannten ihre gesamte Familie ein. Später verlegte man auf manchen Treidelpfaden Schienen, und kleine elektrische Lokomotiven zogen die Taue, bis nach dem 2. Weltkrieg der Dieselmotor den Antrieb von Schiffsschrauben übernahm.

Der Vorteil des Binnenschiffs: seine Wirtschaftlichkeit. Sein Nachteil: seine geringe Geschwindigkeit. Von Straßburg nach Paris braucht eine Péniche auf dem Rhein-Marne-Kanal etwa zwei Wochen. Dieses beschauliche Leben an Bord ist heute weitgehend Geschichte – wer es nachempfinden will, kann sich ein Hausboot mieten und so die Langsamkeit entdecken.

Im elsässischen Offendorf haben sie einen Lastkahn vor dem Verschrotten gerettet und unter Deck zum Museum ausgestaltet. Das im Jahre 1931 gebaute Schiff hieß ursprünglich „St. Antoine de Padou“ und hat seinen heutigen Liegeplatz auf dem Landweg mit einem Tieflader erreicht. Es gibt einen guten Einblick in das einfache Leben der Schiffer mit den bescheidenen Räumlichkeiten im Heck des Schiffes. Sie kamen nicht nur in ganz Frankreich herum, sondern auch in Belgien und den Niederlanden. Über den Saar-Kohlen-Kanal (heute: Saar-Kanal) gab es auch einen Anschluss ins Saarland. Mit dem dortigen Niedergang der Schwerindustrie und im benachbarten Lothringen sanken die Transporte von Kohle und Eisenerz.

Die französischen Behörden versuchten, das teure Kanalnetz stillzulegen, indem sie Abwrackprämien für die Lastkähne zahlten, um diese Form der Berufsschifffahrt verschwinden zu lassen. Der in den 1970-er Jahren beginnende Hausboot-Tourismus kam diesen Plänen jedoch in die Quere, so dass sogar bereits aufgegebene Wasserstraßen wiederbelebt und modernisiert wurden. Einst handbetriebene Schleusen sind heute fast überall radargesteuert. Die Freizeitschifffahrt sorgt von Frühjahr bis Herbst für regen Verkehr.

Der 83-jährige Raymond Gasser aus Offendorf ist auf einem Lastkahn geboren und war bis 1981 auf einem unterwegs, ehe er sein Berufsleben auf dem Wasser als Kapitän der Rheinfähre zwischen dem nahen Drusenheim und Greffern auf dem deutschen Ufer beschloss. Die kostenlose Überquerung des Flusses ist ein schöner Einstieg zu einem Besuch im Binnenschifffahrtsmuseum Offendorf.

Gasser ist einer von einer Handvoll Ehrenamtlicher, die das Museum samstags, sonntags und an Feiertagen zwischen 14 und 18 Uhr betreuen und die Erinnerung wachhalten. Für Gruppen öffnen sie den Kahn auch außerhalb dieser Zeiten, wenn man sich unter 0033 03 88 96 80 02 in deutscher Sprache anmeldet. (www.visit.alsace/de/277002227-das-schifffahrts-museum) 


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