


Zapfenstreich mit Musik- und Lichtorgel
Der chinesische Autohersteller Changan ist mit 41 Jahren ein vergleichsweise traditionsreiches Unternehmen im Auto-Reich der Mitte und unterhält auch schon lange ein großes Designzentrum in Turin. Zudem lässt der Name des Changan-Vizepräsidenten und -Chefdesigners aufhorchen: Klaus Zyciora – bis zu seinem Wechsel vor zwei Jahren verantwortete er das Design von Volkswagen, die ganze Palette von Golf bis zur ID-Familie.
Von Gundel Jacobi
Deepal S07 macht den Anfang in Europa. Mittlerweile pirscht sich das gesamte Team mit enormem Rückhalt aus dem Fernen Osten an die weltweite gestalterische Mobilität der Zukunft heran. Changan mischt mit drei Marken im Autozirkus mit: Deepal widmet sich komplett batterieelektrischen Modellen, bei Changan darf es gemixter zugehen – auch in Bezug auf Karosserieformen, und Avatr bildet das Spitzenangebot ab – auch preislich. Auf den Europa-Erstling Deepal S07 durfte man kürzlich nicht nur einen Blick werfen sowie eine Sitzprobe machen, sondern bereits eine ausgiebige Tour mit persönlichem Begleiter absolvieren. Anfängliche Gedanken, es könnte sich um einen Bewacher handeln, zerstreuen sich rasch – man würde ihn sich auch für künftige Kunden wünschen. Denn das Cockpit ist bis auf ein paar Steuerungstasten am Lenkrad schalterfrei, und das angepriesene intuitive Bedienungskonzept auf dem zweifellos raumgreifenden Bildschirm (15,6 Zoll) bedarf ausgiebiger Erläuterungen, um sich zurechtzufinden. Selbst der gut informierte Beisitzer tippt und wischt mehrfach irritiert auf dem Monitor.
Einfach losfahren. Das Einfachste ist der Motorstart, denn nach dem Platznehmen ist der Wagen sofort bereit zum Losfahren – sobald man den Automatik-Stockhebel am Lenkrad auf D gesetzt hat. Das ist gewissermaßen die letzte traditionelle Bedienung in der chinesischen Schaltzentrale auf Rädern; selbst die elektrischen Fensterheber sind zum Öffnen und Schließen andersherum zu bewegen als im Alten Europa üblich. Zum Einstellen der Außenspiegel muss man ins Bildschirm-Menü – die Steuerungstasten am Lenkrad erledigen die gewünschte Position. Phantasievoll ist obendrein die Gestensteuerung zum Beispiel fürs Stummschalten des Radios: Wie im richtigen Leben legt man den Zeigefinger hochkant vor die Lippen. Den Surfergruß hingegen verwendet man zur Annahme eines Telefonanrufs.
Infos übers Head-up-Display. Leise surrend geht’s los. Der 160 kW/217 PS starke Elektromotor im Heck kommt spielend leicht mit dem Wagen zurecht, das Fahrwerk zeigt einen ordentlich abgestimmten Kompromiss zwischen Straffheit und Komfort. Schnell hat man sich auch an die fehlenden Instrumente vor dem Steuer gewöhnt. Infos wie Geschwindigkeit und Navi gibt’s vom gestochen scharfen Head-up-Display in der Windschutzscheibe. Seltsamerweise ist die Verkehrszeichenerkennung jedoch nur auf dem Monitor einsehbar. Assistenzsysteme gibt’s natürlich in Hülle und Fülle. Positiv fiel uns der vernünftig agierende Spurhalter auf, der nicht ruppig, sondern sanft eingriff. Leider kann man die stufenlos einzustellende Energierückgewinnung ebenfalls nur am Bildschirm betätigen; da wären Wippen praktischer. Und: Warum der feine Ein-Pedal-Modus bei E-Autos, also Gasfuß lupfen bis zum Stillstand, im S07 nicht verfügbar ist, weiß niemand.
Ladeleistung nicht rekordverdächtig. Die Testfahrt war nicht lang genug, um die verlautbarten 475 Kilometer Reichweite zu überprüfen. Ein gutes Viertel davon nahmen wir in Anspruch, bei insgesamt gemäßigter Fahrweise und einem angezeigten Stromverbrauch von 23 kWh. In der Theorie sollen es 18,6 kWh sein. Wenn wir an einen Schnelllader hätten andocken müssen, hätte der S07 laut Hersteller von 30 bis 80 Prozent in 35 Minuten fertig sein sollen – mit einer Ladeleistung von 93 kW nicht rekordverdächtig.
Zuversichtliches Fazit. Das im Turiner Designstudio solide gezeichnete Mittelklasse-SUV Deepal S07 wird es mit Abstrichen mit Wettbewerbern wie Kia EV6, Skoda Enyaq oder Tesla Model Y aufnehmen können, preislich allemal ab 45.000 Euro. Platz, Komfort und Techno-verwöhnte Spielernaturen sind jedenfalls in der chinesischen Karosse gut aufgehoben – bis hin zum Licht- und Musikorgel-Zapfenstreich beim Abschied, sofern es die Nachbarschaft ebenfalls genießen möchte. Wenn bei der Händlersuche alles nach Plan läuft, soll der Deepal S07 im kommenden Herbst erhältlich sein.
Autogramm
Changan Deepal S07
Typ: SUV; Preis: 45.000 Euro; Länge: 4,75 Meter: Breite: 1,93 Meter; Höhe: 1,62 Meter, Kofferraum: 445-1385 Liter; Zuladung:417 Kilogramm; Anhängelast: 1500 Kilogramm; Antrieb: Elektromotor; Leistung: 217 PS/160 kW; Drehmoment: 320 Newtonmeter; Akku-Kapazität: 80 kWh; Verbrauch (WLTP): 18,6 kWh, 67,5 g CO2/km; Reichweite (WLTP): 475 Kilometer.

