Die Verheißung zweier Buchstaben

Neu auf der Straße: Der Kia EV6 GT ist alles andere als ein Schaf im Wolfspelz – und geht doch wesentlich behutsamer ans Werk als der Konzernbruder.

Von Paul-Janosch Ersing

Emotionen und Elektromobilität sind bislang noch nicht zu dem Traumpaar geworden, von dem die Automobilindustrie schon länger träumt. Abgesehen von elektrischen Supersportlern wie dem Audi e-tron GT oder dem Porsche Taycan herrscht hierzulande eher die Vernunft im Ladepark. Immerhin: Hyundai verspricht den Kunden seines Ioniq 5 N (ab 74.900 Euro) Rennstreckentauglichkeit.

Die Konzernschwester Kia geht einen etwas anderen Weg und nutzt das traditionsreiche Buchstabendoppel GT für die Spitzenversionen ihrer Elektromodelle. Der EV6 GT, dessen Karosserie eher den Schatten einer Crossover-Limousine als den eines klassischen Gran Turismos auf den Asphalt wirft, erhält nun eine leichte Überarbeitung.

Produktmanagerin Felicitas Wunder spricht sogar von einem „echten Facelift“ mit neuartiger Licht-Signatur an der Bugpartie. Von den an klimpernde Wimpern erinnernden Tagfahrlicht-Streifen hat man sich wieder verabschiedet. Die Form der Scheinwerfer entspricht nun der technoiden Ästhetik der neueren Kia-Elektromodelle EV3 und EV9 – sie funkeln also in alle Welt, dass hier ein Stück hochentwickelte Technik herumfährt. Etwas veränderte Stoßfänger vorne und hinten, Seitenschweller, Heckspoiler und ein neu gezeichnetes Rücklicht-Design zählen zu den weiteren Erkennungsmerkmalen der überarbeiteten Version des EV6 GT.

Innen passiert vergleichsweise wenig. Doch das, was geändert wurde, verdient Applaus: Der opulente Einsatz von glänzendem Klavierlack-Plastik wurde auf einige wenige Quadratzentimeter reduziert – dadurch können Mikrofaser-Tücher künftig wieder zu Hause bleiben. Die neonfarbenen Akzente an Lenkrad, Armaturentafel und Sportsitzen lockern das sonst recht düstere Ambiente etwas auf.

Bei den technischen Daten des Allradlers gilt: Schneller beschleunigen und schneller laden – beides ist nun möglich. Die Leistung der beiden E-Maschinen steigt von zusammen 585 PS/430 kW auf 609 PS/448 kW – bei Nutzung der so genannten Launch Control kurzzeitig sogar auf 650 PS/478 kW. Für einen Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 km/h vergehen dann gerade mal 3,5 Sekunden. Bis die Launch Control über das Bildschirmmenü aktiviert ist, vergeht deutlich mehr Zeit. – Anschließend gönnt sich der EV6 GT eine zweiminütige Abkühlphase, bevor die elektronische Sprinthilfe ein weiteres Mal bereitsteht.

Die Kia-Entwickler haben es geschafft, den unsinnigsten Unsinn seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in ihr Elektroauto zu packen: ein simuliertes Sechsgang-Getriebe, das über die Lenkrad-Schaltwippen bedient wird und das den Fahrer mit einer Art virtuellem Drehzahlbegrenzer vor ganz neue Herausforderungen stellt. Aber gut: Wer den Hyundai Ioniq 5 N gefahren ist, weiß, dass es diese Spielerei auch dort gibt.

Dank des von 77,4 auf 84 Kilowattstunden (kWh) vergrößerten Akkus im Unterboden steigt die WLTP-Reichweite von 424 auf 450 Kilometer. Um die Ladezeiten trotz des größeren Stromspeichers nicht zu verlängern, lädt der EV6 GT ab sofort mit bis zu 258 kW.

Beim Blick auf die Preisliste fällt auf, dass der an Kia zu entrichtende Betrag trotz des Zuwachses bei Leistung und Akkugröße um 3000 Euro geschrumpft ist – sogar inklusive der bislang aufpreispflichtigen Metallic-Lackierung. Der überarbeitete EV6 GT kostet in Deutschland mindestens 69.900 Euro.

Autogramm

Kia EV6 GT 84 kWh AWD

Typ: Crossover-Limousine; Preis: 69.900 Euro; Länge: 4,70 Meter; Breite: 1,89 Meter; Höhe: 1,55 Meter; Radstand: 2,90 Meter; Leergewicht: 2295 Kilogramm; Zuladung: 440 Kilogramm; Kofferraum: 480 Liter; Sitze: fünf; Elektromotoren: zwei Permanentmagnet-Synchronmaschinen; Leistung: 609PS/448 kW; Drehmoment: 740 Newtonmeter; Spitze: 260 km/h; 0 auf 100 km/h: 3,7 Sekunden; Batterietyp: Lithium-Ionen-Akku; Batteriekapazität: 84 Kilowattstunden (kWh); Reichweite (WLTP): 450 Kilometer; Stromverbrauch (WLTP): 20,9 kWh/100 Kilometer, entsprechender CO2-Ausstoß (deutscher Strommix 2024: 363 g/kWh): 76 Gramm/Kilometer.


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