


Rollender Schuhkarton
Der Nissan Silence ist ein pfiffiges Microcar zum Aufladen an der Haushaltssteckdose: Der Zweisitzer stammt vom spanischen Elektro-Spezialisten Silence, hinter dem der Energiekonzern Acciona steht. Wie so häufig bei Kleinstwagen dieser Art müssen gewisse Abstriche bei der Sicherheit hingenommen werden. Die Reichweite des Stromers mit Pkw-Zulassung beträgt mit zwei Batterien nach der Norm 157 Kilometer, seine Preise beginnen bei 16.745 Euro.
Von Gundel Jacobi
Lächelnde Passanten. Knalligere Farben würden dem putzigen Fahrzeug gut tun, denn er wirkt in seiner Schwarz-Weiß-Lackierung fast etwas zu förmlich. Aber wenn man auf die Reaktion der Passanten achtet, ist es auch so ein echter Hingucker. Lächelnd kommentieren sie mehrfach, was dies denn für ein lustiger Schuhkarton sei. Man fühlt sich zurückversetzt in Zeiten, als der Smart die Autowelt ein bisschen revolutionierte. Mittlerweile gibt es jedoch schon das eine oder andere sogenannte Mikrocar à la Microlino, sodass sich die helle Aufregung von damals nicht mehr in dem anfänglichen Smart-Ausmaß entfaltet.
Spartanische Ausstattung. Streng genommen ist der Silence S04 L7e gar kein Auto, sondern ein Leichtfahrzeug mit Pkw-Zulassung. Der 2,28 Meter lange Winzling ist mehr hoch (1,57 Meter) als breit (1,26 Meter), was ihm ein eigentümliches Aussehen verleiht und eine sorgsame Umgangsweise in Kurven ratsam macht. Stichwort Kippfaktor. Damit wäre man auch schon bei einer wesentlichen Betrachtung: Wer den Silence als ummanteltes E-Motorrad betrachtet, kommt problemlos damit zurecht, dass er zwar Sicherheitsgurte, aber keine Airbags, kein ABS, geschweige denn ESP an Bord bereithält. Der Zweisitzer hat eine spartanische Ausstattung mit zwei leicht versetzt montierten Kunststoff-Schalensitzen, die bei zwei Insassen unweigerlich zur Tuchfühlung führen. Der etwas zerklüftete Kofferraum fasst 247 Liter. Zur Konnektivität wird das eigene Handy mittels vorhandenem Kabel eingestöpselt, sodass Musik und Navi ordentlich in Betrieb genommen werden können.
Ein Hauch von Luxus. Bei aller Sparsamkeit staunt man dann aber doch, denn nicht nur das Lenkrad wirkt luxuriös und liegt gut in den Händen, auch die elektrischen Fensterheber und Außenspiegelversteller rufen besondere Beachtung hervor. Wie bei allen Autos, – fast ist man versucht, zu sagen: bei erwachsenen Autos – sitzt die digitale Kommandozentrale direkt vor dem Steuer. Hier können auch alle Bordinfos zu Ladestand, Reichweite sowie zu Fahrprogrammen abgerufen werden.
Angetrieben wird das flüsterleise Leichtgewicht, das fahrbereit gerade mal 517 Kilogramm wiegt, von Radnabenmotoren an den Hinterrädern. Strom dazu liefern zwei 5,6-kWh-Batterien unter den beiden Sitzen. Einen Überblick hat man sich schnell verschafft, sodass es unverzüglich auf eine erste Testfahrt gehen kann. Per Lenkstockhebel geht’s vorwärts, rückwärts oder zum Parken auf Neutral, wobei zusätzlich die elektrische Parkbremse betätigt werden muss. Mit den Fahrprogrammen Eco, City und Sport lassen sich wie bei allen Elektroautos die Leistung und Bremsenergie-Rückgewinnung beeinflussen.
Beherzt in die Eisen steigen. Bei aller Freude über die vielfachen technischen Möglichkeiten der Fortbewegung: Der Elektro-Floh hat weder Servolenkung noch Bremskraftverstärker. Vor allem Letzteres bedingt konzentriertes Herantasten an jegliches Verzögerungsmanöver. Denn es bedarf frühzeitigen und beherzten Drucks aufs Bremspedal, zumal man elektrotypisch rasch beschleunigen kann – die Höchstgeschwindigkeit beim Silence liegt immerhin bei 85 km/h. Ebenso gewöhnungsbedürftig: die gelinde gesagt straffe Federung. Die muss man mögen und sich darauf einstellen. Ansonsten gelingt die Freundschaft mit dem Wägelchen überraschend schnell. Natürlich bereitet es Frohsinn, wenn man sich wieselähnlich mit einer Reichweite von rund 150 Kilometer durch den Verkehr schlängelt, was auch auf Landstraßen völlig gelassen gelingt. Ein Riesen-Pluspunkt ist zudem das Aufspüren von Parklücken, das bei diesen Außenabmessungen andere Verkehrsteilnehmer nur neidisch zuschauen lässt: Wir konnten eine kleine Bucht direkt quer parkend nutzen.
Mit dem Rollkoffer zur Steckdose. Die Grundidee fürs Stromtanken ist, die Energie an der Haushaltssteckdose aufzuladen. Entweder dockt man mittels beiliegendem Ladekabel direkt mit dem Leichtfahrzeug an den Stromanschluss an, oder man nimmt die mit einem Rollsystem verbundenen Akkus einzeln aus ihrer Schale unterm Sitz und zieht sie wie einen Rollkoffer zur gewünschten Ladebuchse. Das Gewicht von 41 Kilogramm pro Batterie ist jedoch nicht zu unterschätzen. Dieses mal kurz eine Treppe hochzuwuchten, bedeutet ordentlich Kraftaufwand. Eine volle Ladung von Null auf 100 Prozent dauert zwischen sieben und neun Stunden.
Bleibt die Frage nach der Zielgruppe – offenbar gleichermaßen Jüngere wie Ältere. Allerdings sind es nicht die mutmaßlich großen Ballungsgebiete, wo man nach dem Wägelchen greift: „Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Silence- Kundschaft vermehrt aus mittelgroßen Städten mit ländlich geprägtem Umland kommt“, sagt Dr. Allegra Fistek, Markenmanagerin für Silence bei Nissan Deutschland.
Autogramm
Nissan Silence S04 L7e
Typ: Microcar; Preis: 16.745 Euro; Länge: 2,28 Meter; Breite: 1,26 Meter; Höhe: 1,57 Meter; Leergewicht: 517 Kilogramm; Zuladung: 179 Kilogramm; Kofferraum: 247 Liter; Sitze: zwei; Motor: Elektromotor; Leistung: 19PS/14 kW; Drehmoment: 111 Newtonmeter; Spitze: 85 km/h; Batterietyp: Lithium-Ionen-Akku; Batteriekapazität: 11,2 Kilowattstunden (kWh), 2 Batterien je 5,6 kWh; Reichweite: 157 Kilometer; Ladedauer Haushaltssteckdose: 7-9 Stunden; Stromverbrauch: 11,7 kWh/100 Kilometer; CO2-Ausstoß: 42 Gramm/Kilometer (Strommix Deutschland).

