Gleicht Unebenheiten automatisch aus
Im Alltag gestestet: Mercedes-Benz V-Klasse Marco Polo
Von Paul-Janosch Ersing
Die Idee, die aus Gründen des Fahrkomforts eingebaute Luftfederung samt Sensoren im Stillstand als eine Art Wasserwage zu nutzen, ist genial. Die automatische Niveau-Nivellierung im kompakten Mercedes-Camper tut genau das: Auf Knopfdruck können kleinere Unebenheiten des Geländes ausgeglichen werden – mit angenehmen Folgen für brodelndes Wasser im Kochtopf und die Schlafqualität auf beiden Betten. Wer mit dem Reisemobil oder Campingbus unterwegs ist, weiß, wie wertvoll ein eben stehendes Fahrzeug ist.
Dabei ist der Marco Polo auf Basis der kürzlich aufgefrischten Mercedes-Benz V-Klasse ganz gewiss nicht für tagelanges Rumstehen gebaut. Der Kleinbus mit Stern beeindruckt unterwegs mit reichlich Pkw-Qualitäten – sowohl bei der Motorisierung als auch bei der Ausstattung des Cockpits. Die beiden nebeneinander unter einem gemeinsamen Deckglas angeordneten Bildschirme liefern alle wichtigen Informationen zur weiteren Route, zum Wetter und dem Fahrzeugzustand. Viele der Reisemobil-Funktionen können zusätzlich auch über eine Smartphone-App gesteuert werden – beispielsweise die Standheizung oder das elektrisch betriebene Aufstelldach.
Auf Knopfdruck wird in weniger als einer halben Minute aus dem 1,99 Meter hohen Luxus-Kleinbus ein zweistöckiges Apartment. Auch wenn die obere Schlafstätte mit 2,05 mal 1,13 Meter nur minimal größer ist als die untere auf der umgeklappten Rückbank (2,03 mal 1,13 Meter), dürfte sie während der Sommermonate für die meisten Camper erste Wahl sein. Auf entsprechenden Standplätzen ist der Blick durch die seitlichen Fliegengitter oder die vordere Öffnung auf Sonnenuntergänge oder den nächtlichen Sternenhimmel einfach nur hinreißend. Einzige Voraussetzung für den entspannenden Aufenthalt im Obergeschoss sind Basis-Kletterkenntnisse, um über die Arm- und Rückenlehne der Vordersitze elegant durch die Luke nach oben und unten zu kraxeln.
Die kleine Küchenzeile bietet alles, was man als reisender Feinschmecker braucht: zweiflammigen Gasherd, Edelstahl-Spülbecken und eine geräumige Kompressor-Kühlbox, die in der höchsten Stufe sogar bis minus 18 Grad Celsius frieren kann. Diverse Schubladen und Schränke lassen sich vor Reiseantritt mit Hab und Gut befüllen – und sind größtenteils auch bei ausgeklapptem unteren Bett gut zugänglich.
Als Vierzylinder-Diesel namens 300d bringt es der Marco Polo auf souveräne 237 PS/174 kW, der Allradantrieb 4-Matic (Aufpreis 4.829 Euro) verteilt die Leistung bedarfsgerecht zwischen Hinter- und Vorderachse. Die Neunstufen-Automatik arbeitet derart unauffällig, dass Gangwechsel kaum spürbar sind. Den WLTP-Normverbrauch von 8,4 Litern Diesel auf einhundert Kilometern haben wir während unserer Testfahrten exakt getroffen.
Der stolze Testwagenpreis von gut 90.000 Euro wird vom Basismodell 220d mit Hinterradantrieb für 72.865 Euro klar unterboten. Als preiswertere Variante (ohne Schränke und Küchenzeile) bietet Mercedes den Marco Polo Horizon zu Preisen ab 58.940 Euro an.