Erstaunlich langstreckentauglich

Alltagstest: Der Dacia Duster mit Allradantrieb und in bester Ausstattung.

Von Bernd-Wilfried Kießler

Was ist das für ein Auto? Als der Duster von Dacia vor 15 Jahren erschien, fegte er den Markt der kompakten SUV aufgrund seiner Preisgestaltung kräftig durch. Das Einstiegsmodell mit Frontantrieb war für etwas mehr als 11 000 Euro zu haben. Heutzutage beginnt die Preisliste bei 18 950 Euro für eine Ausführung mit bivalentem Antrieb, zwei 50-Liter-Tanks für Benzin und Autogas, die eine Reichweite von über 1000 Kilometer ermöglichen. Unser Testwagen mit mild hybridisiertem Turbo und Allradantrieb kostet rund 7000 Euro mehr.

Wie fühlt man sich in diesem Auto? Die Gestalter des Äußeren und Inneren haben sich darauf geeinigt, das liegende Y zum Wiedererkennungszeichen des aktuellen Duster zu machen: So sind Tagfahrlicht und Rückleuchten geformt – innen wiederholt sich das Motiv groß an den Verkleidungen der Vordertüren und klein an den Luftausströmern. Dort weht ein Hauch vom spanischen Konkurrenten Cupra in Form von kupferner Färbung herein, ebenso sind die Außenspiegelgehäuse bemalt.

Der Innenraum ist geschmackvoller ausgestattet, als man es bei einer Marke erwartet, die von Anfang an mit günstigen Preisen geworben hat. Dass da viel harter Kunststoff geformt wurde – geschenkt: Der ist auf jeden Fall strapazierfähig. Das betrifft auch die Sitze mit einem leicht zu reinigenden Bezug und die Fußmatten, die man im Zweifel einfach unter fließendem Wasser abspülen kann. Sehr praktisch!

Welchen Antrieb hat das Auto? Unter der höher und kantiger gewordenen Haube arbeitet ein Dreizylinder-Benzinmotor, der aus 1,2 Liter Hubraum mit Hilfe von Turboaufladung beachtliche 131 PS/96 kW entwickelt. Beim Anfahren und auch unterwegs beim Beschleunigen hilft ein Startergenerator, der seine Energie während Schub- und Bremsvorgängen gewinnt.

Die Übersetzungen werden von Hand gewechselt – es gibt sechs Gänge, mit dem nach rückwärts sind es sieben. Butterweich lässt sich das Getriebe nicht schalten – sicher keine Absicht, dass ein geländetaugliches Auto kräftige Männerfäuste zum Gangwechsel braucht. Ein Automatikgetriebe ist leider nicht erhältlich. Auf der Mittelkonsole können verschiedene Fahrprogramme angewählt werden – von Eco über verschiedenen Untergrund wie Schnee und Sand bis hin zu Gelände. Dort ist in jedem Fall der Allradantrieb tätig, begünstigt durch 22 Zentimeter Bodenfreiheit. Den Unterfahrschutz, bei vielen SUVs nur Dekoration aus dünnem Kunststoff, hat man hier mit dem vorderen Stoßfänger gekreuzt und dazu auch noch die Kühlluftöffnung eingefügt. Da hatte ein Designer wirklich einen schönen und dazu zweckmäßigen Einfall.

Was bietet dieses Auto? Einen Einfall zu wenig hatte der Mensch, der das Gepäckfach und den Zugang dorthin entwarf: ein Auf und Ab. Das beginnt mit der 79 Zentimeter hohen Ladekante, hinter der es 17 Zentimeter abwärts geht. Diese Höhe geht’s in einer Stufe wieder hinauf, wenn die hinteren Lehnen nach vorn geklappt werden. Falls die Konstruktion eines ebenen verlängerten Ladebodens eine Kostenfrage ist, dann wurde hier an der falschen Stelle gespart.

Lange vorbei sind die Zeiten, da Dacias nur mit dem Notwendigsten ausgestattet zu haben waren. Heutzutage kann man den Schlüssel – ein glattes Seifenstückchen, das einem leicht abhanden kommt, wenn man es nicht mit einem spür- und sichtbaren Anhänger verbindet – in der Tasche behalten, jedenfalls in der Extreme-Ausstattung unseres Testwagens. Beim Einstieg grüßt ein elektronischer Tusch, untermalt von mobilen Mustern auf dem Bildschirm in der Mitte der Armaturentafel. Allerlei Fahr- und Sicherheitshilfen sind an Bord; was wir in der kühlen Jahreszeit vermisst haben: Heizungen für Sitze und Lenkradkranz.  

Auf langer Fahrt unterwegs! Wie heißt es so schön: Wenn man keine Erwartungen hat, können sie auch nicht enttäuscht werden. Dementsprechend starteten wir auf eine 1500-Kilometer-Testfahrt mit dem Gefühl, dass es sicher kein Zuckerschlecken wird, mit einem nicht gerade übermotorisierten Fahrzeug ohne Automatikgetriebe – Letzteres vor allem in Stauphasen mit kupplungsforderndem linken Bein – unter gewissem Zeitdruck unterwegs zu sein. Die erste höchst gelungene Überraschung bescherte das Navigationssystem, das in bekanntem Gebiet eine hervorragende Strecke zur Stauumfahrung anbot. Diese Lösung findet manches Premium-Navi nicht. Zweite wohltuende Erkenntnis: Natürlich ist der Dreizylinder-Motor einer, der sich akustisch in den Vordergrund pirscht, aber mit einem kernigen Geräusch, das keineswegs nervt. Ab Tempo 120 tritt es derart zurück, dass die Windgeräusche der Außenspiegel das Kommando übernehmen. Erkenntnis Nummer drei: Sprintmeister wird man mit dem getesteten Duster eher nicht, wählt man aber für unaufgeregtes Dahinrollen den Eco-Modus und schaltet bei ausgeprägten Beschleunigungsstrecken den Normalmodus ein, lässt sich mit etwas gutem Willen zum Herunterschalten ein munteres Mitschwimmen im Verkehr problemlos erzeugen. Aber klar: Der Kupplungsfuß wird im Stau schon mächtig gefordert. Clever gelöst ist die Fahrwerksabstimmung, für die ein praxistauglicher Kompromiss zwischen straff und federnd gefunden wurde. Zusammen mit den ordentlichen Sitzen können wir sagen, dass wir die lange Strecke erstaunlicherweise recht entspannt hinter uns gebracht haben.   

Autogramm

Dacia Duster TCe 130 4×4 Extreme

Typ: SUV; Preis: 26.150 Euro; Länge: 4,34 Meter; Breite: 1,81 Meter; Höhe: 1,66 Meter; Radstand: 2,66 Meter; Leergewicht: 1465 Kilogramm; Zuladung: 430 Kilogramm; Tankinhalt: 55 Liter; Kofferraum: 456/1548 Liter; Sitze: fünf; Motor: Otto-Dreizylinder; Hubraum: 1199 Kubikzentimeter; Leistung: 131 PS/96 kW bei 4500-5500 U/min; Drehmoment: 230 Newtonmeter bei 2100-3500 U/min; Getriebe: Sechsgang-Schaltung; Spitze: 180 km/h; 0 auf 100 km/h: 11,0 Sekunden; Normverbrauch/WLTP: 6,1 Liter Benzin pro 100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 137 Gramm/km, Testverbrauch: 6,8 Liter.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter: