Günstig und dabei kein bisschen billig

Aus Korea kommt der Tivoli zu uns – jetzt unter dem Markennamen KGM und dank zehn Jahren Bauzeit ausgereift. Ist er noch auf der Höhe der Zeit?

Von Bernd-Wilfried Kießler

Was ist das für ein Auto? Wir werden’s noch öfter schreiben, wenn von einem Wagen der Marke KGM die Rede ist: Der koreanische Automobilhersteller hieß ursprünglich Ssangyong und wurde nach mehrfachen Insolvenzen und Eigentümerwechseln von seinem neuen Besitzer, dem KG-Konzern, in KG Mobility  umbenannt – abgekürzt KGM. Altbekannt ist hingegen der Tivoli, ein Kompakt-SUV als Einstiegsmodell, das seit nunmehr zehn Jahren auf dem Markt ist. Modellpflegen hat es hin und wieder gegeben, aber das vom italienischen Jahrhundertdesigner Giorgio Giugiaro gezeichnete Blechkleid ist zeitlos. Weil das ursprüngliche Markenzeichen des Doppeldrachens von der Bugpartie verschwunden ist, wirkt diese jetzt geglättet und zeigt in Großbuchstaben den Typennamen. Er steht ebenso groß am Heck, während sich die Abkürzung des Firmennamens schüchtern rechts unten versteckt.

Wie fühlt man sich in diesem Auto? Unübersehbar: die sorgfältige Verarbeitung – womöglich lebt da noch der Qualitätsanspruch aus jener Zeit weiter, als Mercedes bei Ssangyong einen Fuß im Werkstor hatte: In den 1990er Jahren hielten die Deutschen zeitweise bis zu fünf Prozent der Aktien und vereinbarten einige gemeinsame Projekte. An Raum mangelt es im Tivoli nicht; weil es hinten keinen Mitteltunnel gibt und die Bank recht breit ist, hat’s dort Platz für drei Erwachsene. Aus unerfindlichen Gründen lässt sich die mittlere Kopfstütze kaum ausziehen – Genickschläge für Normalwüchsige und größere Mitfahrer wären die Folge eines Auffahrunfalls. Was die Gestaltung betrifft, so herrscht die Unfarbe Anthrazit vor, flankiert von etwas Mattsilber und schwarzem Klavierlack. In der Mitte des Lenkrads prangt – da schau her! – der Doppeldrachen, das langjährige Ssangyong-Markenzeichen. Man findet ihn übrigens auch außen noch an den Felgen. Manchmal zeigen sich die Vorteile, in einem Auto mit langjähriger Bauzeit zu fahren: Natürlich gab es schon vor zehn Jahren einen Bildschirm im Tivoli. Man regelt dort vor allem das Navigationssystem und den Telefonanschluss. Die meisten sonstigen Bedienelemente funktionieren auf Knopfdruck. Im Sinne der Unverwechselbarkeit und Sicherheit hat dieses Auto sozusagen durch Stillhalten sich selbst überholt und ist voll auf der Höhe der Zeit.

Was für einen Antrieb hat dieses Auto? Ganz unspektakulär treibt den Tivoli ein Vierzylinder-Benzinmotor an, der aus 1,5 Liter Hubraum eine Leistung von 163 PS/120 kW entwickelt und dies schon bei 5000 Umdrehungen pro Minute. Eine Stärke dieses Triebwerks ist seine Drehmoment-Ebene: Zwischen 1500 und 4000 Umdrehungen pro Minute stehen 280 Newtonmeter zur Verfügung. Das hat zur Folge, dass sich das Auto mit Sechsgang-Getriebe ausgesprochen schaltfaul fahren lässt: Selbst beim Verlassen einer Ortschaft mit Tempo 50 kann man im sechsten Gang herausbeschleunigen. Allerdings liegen die Gänge in der Schaltkulisse ziemlich eng beieinander, so dass wir mehr als einmal aus Versehen versucht haben, im dritten Gang anzufahren. Eine sechsstufige Automatik kostet 2000 Euro Aufpreis, zuschaltbaren Allrad- statt Frontantrieb gibt’s ebenfalls für 2000 Euro mehr. KGM nennt als preisgünstigsten 4×4-Tivoli eine Summe von 24 900 Euro. Den angegebenen WLTP-Normverbrauch von 6,8 Liter Benzin auf 100 Kilometer haben wir nur geringfügig übertroffen. Am Ende waren’s 7,2 Liter.

Was bietet das Auto? Dank regelmäßiger Modellpflege ist der Tivoli in Sachen elektronischer Fahr- und Sicherheitshilfen keineswegs von gestern. Besonders auf der Landstraße schätzen wir den Spurhalteassistenten sehr, weil er einen davor schützt, in einem Augenblick der Unaufmerksamkeit auf die Gegenfahrbahn zu geraten. In unserem Testwagen gab die Elektronik dem Lenkrad etwas ruckelige Anweisungen, wenn es in und um die Kurven ging. Da wäre es wünschenswert, etwas Feinschliff einzuprogrammieren. Über den Platz für die Passagiere schrieben wir schon. Was den Kofferraum anbetrifft, so sind 423 Liter für ein 4,26 Meter langes Auto ein guter Wert. Allerdings maßen wir die Ladekante in 82 Zentimeter Höhe und  es ging innen 24 Zentimeter in die Tiefe. Rückenschonend lässt sich der mitgelieferte doppelte Ladeboden einlegen. Der führt dazu, schwere Gegenstände eben einzuschieben und mit Umklappen der hinteren Sitzlehnen nach vorn eine stufenlose Fläche zu schaffen.

Eine Preisfrage? Schon zu Ssangyong-Zeiten galten diese koreanischen Autos als günstig, womit der überschaubare Bekanntheitsgrad und das nicht eben dichte Händlernetz ausgeglichen wurden. Diese Preispolitik behält der neue Eigentümer bei und hat jüngst ein etwas abgespecktes Einstiegsmodell mit dem Beinamen Nomad für 18 990 Euro auf den Markt gebracht – vielleicht kein Zufall, dass es für exakt diese Summe den günstigsten Dacia Duster gibt. Der Tivoli Nomad nutzt  den gleichen Antriebsstrang wie unser Testwagen, der über die Ausstattungen Core und Bliss bei 25 450 Euro landet. Fünf Jahre oder 100 000 Euro Garantie zeugen vom Selbstbewusstsein des Tivoli-Herstellers in seine Qualität.

Autogramm

KGM Tivoli 1.5 T-GDI Bliss

Typ: Kompakt-SUV; Preis: 25 450 Euro; Länge: 4,26 Meter; Breite: 1,81 Meter; Höhe: 1,62 Meter; Radstand: 2,60 Meter; Leergewicht: 1375 Kilogramm; Zuladung: 425 Kilogramm; Gepäckraum: 423 Liter; Sitze: 4+1; Tankinhalt: 50 Liter, Motor: Otto-Vierzylinder; Hubraum: 1497 Kubikzentimeter; Leistung: 163 PS/120 kW bei 5000 U/min; Drehmoment: 280 Newtonmeter bei 1500-4000 U/min; Getriebe: Sechsgang-Schaltung; Spitze: 193 km/h; 0 auf 100 km/h: 10,4 Sekunden; Normverbrauch: 6,8 Liter Benzin, CO2-Ausstoß: 157 Gramm/km, Testverbrauch: 7,2 Liter.


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