SUV oder Kompaktwagen?

Unsere Frage im Titel können wir vielleicht im Sinne des Herstellers so beantworten: Hauptsache Hybrid. Denn die Edeltochter Lexus nutzt die Pionierarbeit der Toyota-Mutter mit dieser Kombination aus Benzinverbrennung und E-Antrieb, um bemerkenswerte Verbrauchswerte zu erzielen.  

Von Bernd-Wilfried Kießler

Was ist das für ein Auto? Lexus ist bekanntlich Toyotas Edelmarke, die vor 35 Jahren in Nordamerika und Europa angesiedelt wurde. Denn dort galten die Japaner bis dahin als robuste und preisgünstige Allerweltsautos, die man schon mit dem Namen (Lexus klingt nach Luxus) nach oben abrunden wollte. Wie das damalige Muster VW und Audi nutzte man und nutzt bis heute gleiche Plattformen, so auch beim getesteten Lexus LBX, der die Vollhybrid-Technik weitgehend mit dem Toyota Yaris Cross teilt. Keine Ahnung, warum heutzutage sich alles mit der Einordnung als SUV schmücken muss – nur weil das Dach ein paar Zentimeter höher und Radkästen samt Schweller mit Kunststoff-Schutzleisten versehen sind? Im Prinzip kann der 4,19 Meter lange LBX als Kompaktwagen durchgehen, in den man bequem ohne Kopfnicken ein- und wieder aussteigt. Was den äußeren Wiedererkennungswert betrifft, so zeigt der LBX jetzt einen Kühlergrill in Trapezform mit einem Gitter aus liegenden Rauten. Er löst die X-förmige Spindel ab, die jahrelang als Blickfang diente, aber nicht allen gefiel.

Wie fühlt man sich in diesem Auto? Der Ein- und Ausstieg ist ein bisschen Glücksache, denn seine Konstrukteure wollten’s unbedingt anders als andere machen nach dem Motto: Warum denn einfach, wenn’s auch umständlich geht? Außen muss man in den Griff hineingreifen, innen drücken und ziehen – da kommt das System schon mal in Zweifel, wie es reagieren soll. Sitzt man einmal auf dem Fahrerplatz, ist alles übersichtlich und sogar der Startknopf im Blick, der sich bei vielen anderen Herstellern irgendwo hinter dem Steuer versteckt, weil da einst das Zündschloss an der Lenksäule saß. Der Bildschirm in der Mitte der Armaturentafel ist eindeutig zu tief angeordnet: Hier während der Fahrt zu tippen und zu wischen, lenkt vom Verkehrsgeschehen ab – noch mehr als ohnehin auf Monitoren generell. Sofern auf den beiden vorderen Plätzen langbeinige Erwachsene Platz nehmen, wird es in der zweiten Reihe knapp mit der Kniefreiheit.

Welchen Antrieb hat das Auto? Toyota kann unangefochten für sich in Anspruch nehmen, mit dem Prius im Jahre 1997 als erster Hersteller der Welt den Hybridantrieb zur Serienreife entwickelt zu haben. Der Grundgedanke: Energie, die beim Bremsen und im Schub verloren geht, wird in einer kleinen Pufferbatterie gespeichert und über einen Elektromotor zum Vortrieb genutzt – namentlich bei Anfahren und Beschleunigen, um den Verbrennungsmotor zu unterstützen und so Verbrauchsspitzen abzuschneiden, aber zeitweise auch nur unter Strom zu fahren. Dieses anfangs belächelte Prinzip haben die Japaner zu einem wirklichen Mittel der Verbrauchssenkung entwickelt. Selbstverständlich nutzt auch Lexus diese Antriebsmischung mit Erfolg: Ein 1,5-Liter-Ottomotor mit 91 PS/67 kW arbeitet mit einem beinahe gleichstarken Elektroaggregat zusammen. Gemeinsam führt das zu einer Systemleistung von 136 PS/100 kW, was gut zum Mitschwimmen reicht und beim Verbrauch Maßstäbe setzt: 4,5 Liter Benzin nach der WLTP-Norm haben wir bei ganz normaler Fahrweise ohne besondere Sparbemühungen im zweiwöchigen Alltagstest in der Stadt und über Land beinahe erreicht.

Was bietet dieses Auto? Der LBX ist der kleinste Lexus, und seine Konstrukteure haben die Ansprüche der Kundschaft an die größeren Modelle auf einen kompakten Wagen übertragen. Das Vorhaben ist gelungen, vor allem, was die komfortable Fahrwerksabstimmung betrifft. Der Wagen liegt satt auf der Straße, die 18-Zoll-Reifen schlucken allerlei Unebenheiten auf der Straße. Eine komplette Abschottung von Lärm können wir nicht vermelden. Denn natürlich ist zu hören, wenn Benzin verbrannt wird – vor allem, wenn der Dreizylinder namentlich bei höherem Tempo einen weiteren Beschleunigungsbefehl umzusetzen hat. Dann jault er schon ein wenig in die Fahrgastzelle hinein. Verbesserungsbedarf herrscht im Heck: Mag eine Ladekante von 74 Zentimetern im Zeitalter der Hochbeiner als normal erscheinen – empfindliche Rücken spüren jeden Zentimeter, zumal dann, wenn es wie hier innen gleich wieder 18 Zentimeter abwärts geht. Einen ebenen Ladeboden haben sie auch nicht zustande gebracht: Klappt man die hinteren Lehnen nach vorn, entsteht eine 14-Zentimeter-Stufe. An solchen Stellen wird spürbar, dass Lexus seinen Hauptmarkt in Nordamerika hat. Dort spielt in Pkw der Transport von Gütern eine Nebenrolle, weil man zu diesem Zweck noch einen Pick-up vor der Garage stehen hat.

Wo ist der Mehrwert? Ein Überraschungspaket verbirgt sich bei den meisten Autos hinter den Fahrassistenzsystemen – weniger in der Zahl der Helfer, die ihre Dienste bereithalten, sondern in der Anordnung. Da geht es bei Lexus wohltuend übersichtlich zu – auch fürs rasche Abschalten unerwünschter Assistenz. Eine inhaltliche Besonderheit haben wir dennoch entdeckt: Das Rundum-Sorglos-Paket meldet auf den Bordinfo-Bildschirm, wenn sich beispielsweise auf der Autobahn auf derselben Spur ein Fahrzeug von hinten nähert. Außer, dass dieses aufploppende Fenster die Aufmerksamkeit für einen Moment auf sich zieht, konnten wir darin keinen Mehrwert feststellen.  

Autogramm

Lexus LBX

Typ: Kompaktwagen; Preis: 32 990 Euro; Länge: 4,19 Meter; Breite: 1,83 Meter; Höhe: 1,55 Meter; Radstand: 2,58 Meter; Leergewicht: 1355 Kilogramm; Zuladung: 400 Kilogramm; Kofferraum: 332 Liter; Sitze: 4+1; Tankinhalt: 36 Liter; Motor: Otto-Dreizylinder; Hubraum: 1490 Kubikzentimeter; Leistung: 91 PS/67 kW bei 5500 U/Min; Drehmoment: 120 Newtonmeter bei 3600-4800 U/Min; E-Motor Leistung: 94 PS/69 kW; Drehmoment: 185 Newtonmeter ab 1 U/Min: Systemleistung: 136 PS/100 kW; Getriebe: CVT-Automatik; Spitze: 170 km/h; 0 auf 100 km/h: 9,2 Sekunden; Normverbrauch: 4,5 Liter Benzin, CO2-Ausstoß: 102 Gramm/km, Testverbrauch: 4,7 Liter.


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